Ein Mord ohne Probleme

Bei einem Konzert von Andreas Gabalier wird ein Immobilienmakler getötet. Er war mit einer jungen Frau unterwegs.

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Wer war der Mörder?

Thomas saß links von Anna Bergmann, Bernhard rechts. Aus eigener Sicht waren es schon gestandene junge Männer im Alter von 16 Jahren, groß gewachsen, gut gebaut. Sie hatten ihre Mutter eingeladen, mit ihnen das Konzert von Andreas Gabalier am 27. August 2016 zu besuchen.
„Damit du wieder einmal etwas anderes hörst“, betonte Thomas, „und siehst“, fügte Bernhard hinzu. Der Nebengedanke der beiden war gewesen, dass ihre Mutter die Tickets sicher bezahlen würde, das gehörte sich einfach so. Anna hatte das gleich durchschaut und war dennoch ein wenig gerührt gewesen. So oft würde sie von ihren Zwillingen nicht mehr eingeladen werden, darüber war sie sich im Klaren.
Der Planet Planai in Schladming war bestens gefüllt mit vielen Menschen und Schall, viel Schall. Andreas Gabalier war für den Klassikfan Anna kein Kandidat der Ohrenzuneigung, aber seine Vitalität und der ungenierte Gebrauch seiner männlichen Bühnenqualitäten beeindruckten auch sie. Er war schon was, der Andreas, und es war kein Zufall, dass er ein Star war, der berechtigterweise größte Star in seiner Musikklasse. Er war authentisch lebendig.
„Wer ist so stark, wer ist so superstark?“ Mountain Man natürlich. Und er war der Mountain Man, keine Frage. Die Show war so präzise wie er und das Publikum so entfesselt wie sonst nur beim Nachtslalom.
Anna war heute Abend nicht Anna Bergmann, Kommandantin der Polizeiinspektion Schladming, sondern schlicht Mutter, gut aussehende Mutter, wie ihre Söhne aus den Blicken der näheren Umgebung zufrieden feststellten. Sie war noch nicht zu alt als Begleitperson, 35 ginge sich noch aus, meinten Thomas und Bernhard. Sie sagten davon natürlich kein Wort.
Anna entdeckte dann fünf Reihen schräg vor ihr den bekannten Makler und Freund der Frauen Franz Friedrich. Neben sich eine Frau, die von hinten viel jünger aussah als der fünfzigjährige Friedrich. Anna fand ihn eklig, aber es gab Frauen, die das wohl anders empfinden mussten.
Er hatte keine Probleme, immer wieder eine für sich zu entdecken. Als die beiden ihre Gesichter zueinander drehten, wurde Anna bestätigt, wie jung sie war. Eine Frau für Gabalier, keine Frau für Friedrich. Aber was sollte es. Anna saß nicht als Moralistin im Planet Planai.
Gabalier schöpfte seinen Vorrat an Kraft aus und war schon bei den „Zuckerpuppen“. Da ging ein Mann im leichten Sommerparka hinter Friedrich durch die Menge. Diese war gerade aufgesprungen – auf Gabaliers Geheiß. Selbst Anna hatte sich erheben müssen, auf Befehl der Blicke ihrer Söhne. So sah sie genau, wie der Mann dicht hinter Franz Friedrich stehen blieb, Friedrichs Partnerin sich ganz kurz zum ihm zurückbeugte und nickte.
Der Mann blieb einen Moment stehen und ging dann weiter. Anna hatte die Frau erkannt. Sie arbeitete in einer kleinen Kosmetikfirma im Nachbarort Haus im Ennstal. Dann tobte die Menge noch gewaltiger, nur der Dachstein verhielt sich abendkühl. Es entstand ein wildes Durcheinander, Anna verlor die Reihe fünf vor sich aus den Augen. Erst beim Song „I sing a Liad für Di“ beruhigte sich die Menge wieder. Gabalier verstand sich auf den Wechsel der Emotionen.
Dann kam endlich ein Song, den auch Anna mochte. Sein „Steirerland“ hatte einfach einen viel besseren Landeshymnentext als die offizielle. Die Kosmetikerin hatte inzwischen den Arm um Franz Friedrich geschlungen. Er lehnte sich gegen sie und genoss wohl ihre Körperwärme und ihr Parfum und ein kleines Stück Haut von der Wange. Eine Minute später, noch während des Applauses für das „Steirerland“, der in Schladming sehr ausgiebig ausfiel, zog die Begleiterin ihren Arm weg und Franz Friedrich fiel nach hinten.
„Ich kann mir überhaupt nichts erklären. Ich bin total schockiert.“ Zwei Stunden später rannen die Tränen der Kosmetikerin Hanna Vielgut im Vernehmungszimmer der Polizeiinspektion Schladming immer noch heftig. Franz Friedrich weinte nicht mehr, sollte er je geweint haben. Der anwesende Arzt hatte kurz gemeint, der Schuss in den Rücken sei durchs Herz gegangen und zum Weinen sei keine Zeit mehr gewesen.
Vier Stunden später, Anna hatte ihre Zwillinge sofort freundlich in die nahe Schulgasse heimgeschickt, überlegte es sich Hanna und erzählte ihre Geschichte. Herr Friedrich sei öfter Kunde im Kosmetikgeschäft gewesen und habe sich beraten und behandeln lassen. Am liebsten von ihr.
Dann habe er sie zum Gabalier-Konzert eingeladen und sie habe zugesagt. Gabalier gefiele ihr. Er sei so überragend männlich. Und nach dem Konzert wäre ihr schon etwas eingefallen, um Friedrich auszutricksen. Anna interessierte sich für den Mann, der hinter ihnen kurz stehen geblieben war, zu dem sie sich umgedreht und dem sie zugenickt hatte.
„Das war der Johannes, mein neuester, mein wirklicher Freund.“ Er sollte Friedrich kräftig in den Rücken stoßen, am besten so kräftig, dass er nachher nur mehr an Bettruhe interessiert sein würde, nicht mehr an ihr.
„Aber auf keinen Fall sollte er ihn töten. Und mein Johannes würde das auch nie tun. Er ist ein besonders Sanfter.“ Anna verzichtete darauf, ihr zu erklären, dass auch besonders sanfte Menschen Mörder werden können, wenn die Umstände danach sind.
Eine Stunde später brachten die Kollegen aus Haus Johannes Kummer die Stiegen hinauf zur Polizeiinspektion. Er bestätigte die Version seiner Freundin. Der Arzt bestätigte einen harten Stoß im Rücken, gleich neben dem Einschussloch, vermutlich mit einem Eisenstück. Dies gab Johannes Kummer zu. Er hatte die Waffe mitgebracht.
Anna kannte Johannes Kummer. Er war bei einem Bauprojekt als Wohnungskäufer von Friedrich ausgenommen worden. Juristisch kaum anfechtbar, nur moralisch übel. Er hatte also ein Motiv, der Johannes Kummer. ?

Wer hat den Makler Franz Friedrich getötet? Und welches Motiv könnte er gehabt haben?

Der Autor

Günter Lehofer war Politikredakteur in der „Kleinen Zeitung“. In der Pension begann er, Krimis zu schreiben. Sein erster liegt nun vor: „Anna und die Südwand“, ein Schladming-Krimi. Besonders freut ihn, dass es ihm gelungen ist, eine Frau als Kommandantin einer Polizeiinspektion durchzusetzen.

www.krimiautoren.at

Lösung der vergangenen Woche:

Ed Miller verdächtigt Steffen, und zwar aufgrund des grauen Schleiers auf den schwarzen Jeans – wobei es sich um die weißen Haare von Kater Flocky handelt.

(Print-Ausgabe, 21.08.2016)

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