Frankreich: "Zorro des Nikabs" zahlt nun auch Burkini-Strafen

Rachid Nekkaz übernahm bisher 245.000 Euro Strafen.
Rachid Nekkaz übernahm bisher 245.000 Euro Strafen.(c) REUTERS (� Charles Platiau / Reuters)
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Der Algerier Rachid Nekkaz übernimmt Geldbußen für Burkini- und Nikab-Trägerinnen. Er wolle damit die Freiheit der Frauen garantieren.

Den "Zorro des Nikabs" nennen ihn einige Medien bereits. Nun knöpft sich Rachid Nekkaz auch die jüngsten Burkini-Verbote in Frankreich vor. "Sobald ich sehe, dass Frankreich fundamentale Freiheiten nicht respektiert, zücke ich mein Scheckbuch", sagte der 43-jährige der britischen Zeitung "The Telegraph".

Er werde alle Strafen begleichen, mit denen Frauen in Frankreich belangt würden, weil sie einen Burkini tragen, einen Ganzkörperbadeanzug, der im Gegensatz zu Nikab und Burka nicht das Gesicht verhüllt. 15 Frauen hätten sich bereits bei ihm gemeldet, sagte der algerische Unternehmer und Menschenrechtsaktivist dem US-Sender CNN. Er rechnet, bis Ende August, wenn das befristete Verbot endet, etwa 100 Strafen zu übernehmen.

Ende Juli verbot der mondäne Badeort Cannes den Burkini - eine Wortschöpfung aus Burka und Bikini - an seinen Stränden. 38 Euro Bußgeld droht Trägerinnen des Ganzkörperbadeanzugs seitdem. Rund ein Dutzend weitere Gemeinden an der französischen Mittelmeerküste und Badeorte in anderen Landesteilen veröffentlichten in der Folge ähnliche Dekrete, etwa der südfranzösische Urlaubsort Nizza.

Dabei ist der Ganzkörperbadeanzug an Frankreichs Stränden doch ein eher seltenes Phänomen, und nichts sagt, dass er nur von religiösen Eiferern getragen wird. Doch nachdem Frankreich in diesem Sommer von zwei neuen islamistischen Anschlägen erschüttert wurde, ist die Stimmung besonders angespannt.

"Bis zum Tod für Freiheit kämpfen"

Er übernehme die Strafen, sagte Nekkaz, "um die Freiheit der Frauen zu garantieren, diese Kleidung tragen zu können, und vor allem, um die Anwendung dieses unterdrückerischen und ungerechten Gesetzes zu neutralisieren". Der säkuläre Muslim selbst, wie er sich bezeichnet, ist jedoch gegen das Tragen des Nikab und des Burkini, erzählt er CNN. Er halte es wie der französische Philosoph Voltaire: "Selbst, wenn ich nicht einer Meinung mit diesen Frauen bin, werde ich bis zum Tod kämpfen, um ihnen Meinungsfreiheit zu garantieren."

Das Burkini-Verbot ist nur der letzte Schritt einer Reihe von Gesetzen französischer Politiker, religiöse Kleidung aus der Öffentlichkeit zu verbannen. In Frankreich, in dem mehr Muslime als in jedem anderen europäischen Land leben, befürchten viele die Bildung von Parallelgesellschaften und sehen die Würde muslimischer Frauen verletzt. Bereits 2004 verbot das laizistische Land das Tragen gut sichtbarer religiöser Symbole an staatlichen Schulen. Vor etwas über fünf Jahren trat dann ein umstrittenes Burka-Verbot in Kraft, seitdem darf der Ganzkörperschleier in der Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden.

So sorgte Nekkaz mit ähnlichen Aktionen bereits in der Vergangenheit für Aufmerksamkeit: Er übernimmt auch Strafzahlungen für Nikab-Trägerinnen. 2010 gründete er dafür die Organisation "Touche pas à ma constitution" (Rührt meine Verfassung nicht an"). Er habe bereits Strafen in der Höhe von 245.000 Euro für 1165 Frauen in Frankreich, 268 in Belgien, zwei in den Niederlanden und einer in der Schweiz bezahlt, berichtete er dem "Telegraph".

Nekkaz verurteilt, dass immer mehr Länder, etwa auch Deutschland und Österreich ein Verbot der Ganzkörperverschleierung überlegten. Die Politik bediene sich nur der Ängste vor dem Islam und beschaffe der Terrormiliz Islamischer Staat neue Anhänger, findet er. "Es ist meine Pflicht, die großen europäischen Demokratien daran zu erinnern, dass es der Respekt vor fundamentalen Freiheiten war, der sie zu großen Demokratien gemacht hat", sagte Nekkaz, der 2013 seine französische Staatsbürgerschaft aufgab, CNN.

90 Prozent mehr Burkinis verkauft

Auch Aheda Zanetti, die Erfinderin des Burkini, zeigt sich auf CNN erstaunt über die Verbote. "Ich kann nicht glauben, dass ein Politiker sich damit beschäftigt, welche Badeanzüge Frauen tragen wollen." Der Badekleidungs-Bann habe sich jedenfalls positiv auf ihre australische Firma Ahiida ausgewirkt: Der Umsatz habe sich in der vergangenen Woche um 90 Prozent gesteigert.

Nachdem Verbot in Frankreich bevorzugen muslimische Frauen offenbar die ligurische Riviera für ihren Urlaub, berichtete die italienische Tageszeitung "La Stampa" am Dienstag. Die Zahl der Frauen mit Ganzkörperbadeanzügen an den Stränden der an Frankreich grenzenden Region Ligurien habe stark zugenommen.

Nicht nur die Tatsache, dass in Italien kein Burkini-Verbot gilt, zieht viele Muslimas nach Ligurien. Für Werbung sorgte auch die saudi-arabische Prinzessin Nouf Nint Abdullah al Saud, Schwiegertochter des verstorbenen König Abdullah von Saudi-Arabien. Drei Wochen lang verbrachte die Prinzessin mit einer Schar von Mitarbeitern ihren Urlaub im Grand Hotel der ligurischen Badeortschaft Alassio.

>>> Bericht in "The Telegraph".

>>> Bericht auf "CNN".

>>> Bericht in "Die Zeit".

Traditionelle Bekleidungsformen im Islam.
Traditionelle Bekleidungsformen im Islam.APA

(maka/ag.)

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