Außenamt bereit für Gespräche mit der Türkei

Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan will die Vorgänge rund um die Kurden-Demonstrationen in Wien von seinem Botschafter erfragen.
Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan will die Vorgänge rund um die Kurden-Demonstrationen in Wien von seinem Botschafter erfragen.APA/AFP/PRESIDENTIAL PRESS SERVI
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Das Außenamt bestätigt, dass die Kurdendemonstration Auslöser für den Abzug des Botschafters war. Außenminister Kurz will seine Türkei-Politik nicht ändern.

Nach den diplomatischen Protestmaßnahmen der Türkei gegen Österreich will die Bundesregierung weiter den Dialog suchen. "Wir stehen für die Aufrechterhaltung der Gespräche auf allen Ebenen", sagte Außenamts-Sprecher Thomas Schnöll der Austria Presse Agentur am Dienstag. Zugleich bestätigte er, dass letztendlich die Demonstration kurdischer Gruppen am vorigen Samstag in Wien den Ausschlag für den Protest gaben.

Die Türkei hat ihren Botschafter in Österreich, Hasan Gögüs, zu Konsultationen nach Ankara zurückgerufen, um "über die Beziehungen zu Österreich zu beraten", wie der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montagabend laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu erklärte. Zugleich wurde der österreichische Geschäftsträger in Ankara - anstelle des auf Urlaub befindlichen Botschafters Klaus Wölfer - ins türkische Außenministerium zitiert. Damit nahm die Türkei in einem Schritt gleich zwei der drei Stufen des diplomatischen Protests.

Gespräch "auf hoher Beamtenebene"

Laut Schnöll fand das Gespräch mit dem Geschäftsträger Georg Oberreiter "auf hoher Beamtenebene" statt. Rein praktisch habe Botschafter Gögüs zudem Österreich nicht verlassen, denn auch er sei derzeit auf Urlaub in seinem Heimatland, so der Sprecher. Wie lange er nicht nach Wien zurückkehren wird, war zunächst offen. Die Länge der Abwesenheit hat politische Signalwirkung und drückt die Stärke des Protests aus.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hält auch nach dem temporären Abzug des Botschafters an seinen Positionen zur Türkei fest. Das erklärte ein Sprecher des Ministers am Dienstag. Man nehme den Schritt zur Kenntnis und führe die bilateralen Gespräche "auf allen Ebenen" weiter.

Zuletzt wegen Armenien-Resolution

Erst im Vorjahr war der türkische Botschafter in Wien zu Konsultationen in die Heimat zurückbeordert worden. Damals protestierte die Regierung in Ankara gegen die Erklärung des Österreichischen Nationalrats zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich zur Zeit des Ersten Weltkriegs, den die Türkei entgegen der Meinung der meisten Historiker nicht als solchen anerkennt.

Nun steht im Zusammenhang mit der Kurdendemo der Vorwurf der Türkei im Raum, Österreich sei im Umgang mit terroristischen Vereinigungen untätig. Gemeint ist die seit 2009 auch in der EU auf der Terrorliste stehende Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Kundgebung am Samstag in Wien fand unter dem Motto "Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die Isolation von Abdullah Öcalan" statt. Der inhaftierte Öcalan war Vorsitzender der PKK. Die Kundgebung lief friedlich ab; laut Polizei zogen rund 600 Teilnehmer über die Ringstraße, die unter "Öcalan"-Rufen auf Transparenten "Freiheit für Abdullah Öcalan" sowie "Freiheit für Kurdistan forderten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits in den Monaten vor dem gescheiterten Putsch die Gangart gegen die verbotene PKK nach Ende eines Friedensprozesses wieder verschärft.

"Weisen Terrormismus-Vorwurf zurück"

Ministeriumssprecher Schnöll betonte: "Wir weisen entschieden zurück, dass Österreich in irgendeiner Form Terrorismus unterstützen würde." Die EU-Verordnung zur Bekämpfung des Terrorismus "wird von Österreich hundertprozentig umgesetzt". Österreich sei "in allen internationalen Foren federführend beim Kampf gegen den Terrorismus".

Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei Mitte Juli und sind die Beziehungen zwischen der Türkei und Österreich angespannt. Die Türkei warf Österreich "radikalen Rassismus" vor, nachdem sich Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) für einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen hatte. Die Reaktion des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf den Putschversuch hat in der EU neue Besorgnis über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in der Türkei ausgelöst.

Newsticker-Schlagzeile sorgte für Verstimmung

Bereits am Samstag vor einer Woche war der österreichische Geschäftsträger in Ankara ins türkische Außenministerium zitiert worden. Anlass war eine Meldung der "Kronen Zeitung" in Form eines elektronischen News-Tickers mit der Schlagzeile "Türkei erlaubt Sex mit Kindern unter 15 Jahren" am Flughafen Wien-Schwechat am Flughafen Wien-Schwechat. Die offensichtliche Grundlage der von der Türkei heftig kritisierten Schlagzeile war, dass der türkische Verfassungsgerichtshof eine Bestimmung aufhob, die sexuelle Handlungen an Kindern unter 15 Jahren als sexuellen Missbrauch unter Strafe stellte. Ein Bezirksgericht hatte die Höchstrichter mit der Begründung angerufen, die geltenden Gesetze machten keinen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen. Kinderrechtsexperten protestieren gegen die Entscheidung.

Die EU-Kommission wollte sich nicht zu den diplomatischen Zwistigkeiten zwischen Wien und Ankara äußern. "Wir haben keinen Kommentar. Das ist eine bilaterale Angelegenheit", sagte ein Sprecher am Dienstag auf entsprechende Fragen in Brüssel.

(APA)

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