Ex-Präsident Sarkozy bezeichnet den Badeanzug als Provokation. Polizisten sollen Frauen wegen des Tragens von Kopftüchern am Strand aufgehalten haben.
Wien/Paris. „Wir sperren Frauen nicht hinter Stoff ein“, sagte Nicolas Sarkozy in einem Fernsehinterview. Der Burkini sei eine Provokation, die den radikalen Islam unterstütze. Die Aussage des Ex-Präsidenten ist nur eine Episode in der hitzigen Debatte um die Ganzkörperbadeanzüge, nachdem mehrere französische Badeorte die Badekleidung verboten haben. Bis Ende August verlangt etwa Cannes 38Euro Bußgeld von Burkiniträgerinnen. Als Grund wird auf die angespannte Lage nach den jüngsten Attentaten verwiesen: Der Badeanzug könne als religiöses Symbol aufgefasst werden und damit die öffentliche Ordnung stören.
Frankreichs Behörden haben den Burkini – eine Wortschöpfung aus Bikini und Burka – völlig missverstanden, kritisierte Erfinderin Aheda Zanetti in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. „Der Burkini symbolisiert nichts.“ Sie habe ihn 2004 erfunden, um das Schwimmen für Musliminnen einfacher zu gestalten. „Warum werden Frauen dafür bestraft, etwas anzuziehen, was für Freiheit und Gesundheit steht?“
„Gipfel der Absurdität“
Auch der Staatsrat, Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht, befasst sich bereits mit der Causa. Menschenrechtler argumentieren, das kurzzeitige Verbot sei illegal. Ein Foto aus dem südfranzösischen Nizza, das am Mittwoch in sozialen Medien kursierte, verschärfte die Debatte nur noch: Das Bild zeigt, wie vier Polizisten eine Frau umringen, die mit Leggings, einem langen türkisfarbenen Oberteil und einem um den Kopf gewickelten Tuch am Strand liegt. Einen Burkini trägt sie nicht. Später zieht die Frau den Pullover aus, unter dem sie ein ärmelloses Oberteil trägt. Unklar ist, ob die Beamten sie dazu aufforderten oder nicht. Auf Twitter ernteten die Fotos dennoch erboste Kommentare: Die NGO Human Rights Watch sprach von einem „Gipfel der Absurdität“.
Aus Cannes ist ein ähnlicher Fall bekannt: Dort sei eine 34-jährige Mutter mit Kopftuch aufgehalten worden, berichtet der „Guardian“. „Es war kein Burkini, es war keine Burka, ich war nicht nackt. Daher dachte ich, meine Kleidung sei angemessen“, sagte sie. Die EU-Kommission will sich in die Debatte jedenfalls nicht einmischen: Sie habe keine Zuständigkeit, in dieser Frage Gesetze zu machen. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2016)