Erdbeben in Italien: Gebäude werden abgerissen

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Jedes zweite Haus in Amatrice ist schwer beschädigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Schlamperei bei der Einhaltung der Bauvorschriften.

In Amatrice, dem Epizentrum des schweren Erdbebens in Mittelitalien, haben Feuerwehrmannschaften am Sonntag begonnen, die zerstörten Gebäude abzureißen. Jedes zweite Haus sei schwerbeschädigt und nicht mehr bewohnbar, berichteten die Behörden. Bis Sonntagmittag ergab die Opferbilanz des Bebens in der Nacht auf Mittwoch nach revidierten Angaben 290 Tote. Es gab allerdings noch zehn Vermisste.

Zudem brachte ein Erdstoß der Stärke 3,7 am Sonntag Gebäude in dem sowieso schon zerstörten Ort weiter zum Einsturz, darunter eine Schule, die vor wenigen Jahren erst "erdbebensicher" gemacht wurde, wie die Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag berichtet.

Am Epizentrum der Katastrophe wurde befürchtet, dass der Rathausturm von Amatrice sowie die aus dem 15. Jahrhundert stammende Kirche des Heiligen Augustinus einstürzen könnten. Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, forderte, dass der Stadtkern komplett abgerissen und neu aufgebaut werde, wie es bereits bei den vom Erdbeben 1976 in Friaul beschädigten Gemeinden der Fall gewesen war. Pirozzi äußerte die Hoffnung, dass die Bevölkerung die zerstörte Ortschaft nicht verlassen werde.

Mehr als 290 Todesopfer

Bei dem Erdbeben in der Nacht auf Mittwoch kamen laut den bisherigen Zahlen 290 Personen ums Leben. Drei weitere Leichen wurden bereits unter dem zerstörten Hotel Roma in Amatrice lokalisiert. Die Bergungsarbeiten erwiesen sich wegen hoher Einsturzgefahr jedoch als problematisch. 238 Menschen konnten lebend aus den Trümmern geborgen werden. Allein in Amatrice wurden 224 Todesopfer gemeldet, 14 müssen noch identifiziert werden. Zehn Personen werden vermisst. Damit könnte die Opferzahl noch auf mehr als 300 steigen. Beim Erdbeben in L'Aquila vor sieben Jahren waren 309 Personen ums Leben gekommen, 1.600 Personen wurden damals verletzt. L'Aquila liegt in Luftlinie nur 30 Kilometer von Amatrice entfernt.

Die Staatsanwaltschaft in den verwüsteten Regionen leitete Ermittlungen wegen möglicher Schlamperei im Bau ein. In der Provinz Rieti soll untersucht werden, ob gegen Bauvorschriften verstoßen wurde. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf die Volksschule von Amatrice. Sie war 2012 renoviert und als bebensicher erklärt worden, stürzte jedoch beim Erdbeben in der Nacht auf Mittwoch fast komplett ein.

Der oberste Anti-Mafia-Staatsanwalt Italiens warnte vor der Gefahr einer Beteiligung Krimineller am Wiederaufbau. "Der Wiederaufbau nach einem Erdbeben ist traditionell ein Leckerbissen für Kriminelle und ihre verbündeten Geschäftspartner", sagte Franco Roberti in einem Interview der Zeitung "La Repubblica" (Sonntag).

Sechs Millionen Euro Spenden per SMS

Inzwischen befasst sich Italien schon mit den hohen Kosten des Wiederaufbaus. Die Regierung in Rom fordert von der EU eine Lockerung der Stabilitätskriterien. So könnten zusätzliche Gelder in die Erdbebensicherung von Gebäuden fließen, hieß es am Sonntag aus Regierungskreisen. Italiens Ex-Regierungschef Romano Prodi forderte einen 30-Jahresplan für sein Land. "Es geht nicht darum, willkürlich Geld auszugeben", sagte der stellvertretende Wirtschaftsminister Enrico Zanetti der italienischen Tageszeitung "La Stampa". Vielmehr wolle man mit notwendigen Investitionen auf die Erdbebengefahr reagieren.

Das Erdbeben hat eine Welle der Solidarität ausgelöst. Mehr als sechs Millionen Euro wurden in Italien bereits an Spenden per SMS gesammelt. Die Einnahmen, die auf den Verkauf von Eintrittskarten italienischer Museen am Sonntag zurückzuführen sind, werden für den Wiederaufbau im Erdbebenraum gespendet. Auch Queen Elizabeth habe für die Erdbebenopfer gespendet. Beim Erdbeben in Amatrice kamen drei Briten ums Leben. Auch Stars mit italienischen Wurzeln wie Madonna und Bruce Springsteen riefen zu Spenden auf.

(APA)

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