Strafrechtsexperte Richard Soyer will ausloten, wie man Europas Menschenrechte in den Rest der Welt bringen kann.
Beim Europäischen Forum Alpbach darf man träumen, man muss es aber nicht. Bei den diesjährigen Rechtsgesprächen beschäftigt sich heute, Montag, eine Diskussion mit der Frage, ob Europa die Wirkung seiner Rechtstraditionen über den eigenen Kontinent hinaus erweitern kann. „Wenn Europa global irgendwo mitspielen kann, dann nicht als Wirtschafts- oder Militärmacht, sondern mit seinen Rechtstraditionen“, sagt Richard Soyer, Strafverteidiger, Professor für Strafrecht an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz und mitverantwortlich für die Rechtsgespräche. „Wir müssen aber aufpassen, dass wir die Bodenhaftung nicht verlieren“, sagt Soyer zur „Presse“.
Ob „Blutdiamanten“ in Sierra Leone, Kinderarbeit in Burkina Faso oder ein grob fahrlässig verursachter Fabrikseinsturz in Bangladesch: Solche Beispiele stehen für Menschenrechtsverletzungen, die mitunter im wirtschaftlichen Interesse global agierender Unternehmen begangen werden, durchaus auch solcher mit Sitz in der EU. „In Österreich kommt man zur inländischen Strafgewalt, wenn Unternehmen hier ihren Sitz haben und die Entscheidungsträger von Österreich aus agieren“, so Soyer. „Aber in Deutschland ist das schon viel schwieriger.“ Es ist kein Zufall, dass der Keynote-Speaker bei dem von Soyer konzipierten Round table „Menschenrechte und Unternehmensstrafrecht – eine europäische Herausforderung“ kein Österreicher ist, sondern der Deutsche Michael Kubiciel von der Universität Köln. Kubiciel vertritt die These, dass Deutschland ein moderneres Unternehmensstrafrecht benötigt; obwohl es seiner Ansicht nach verschärft gehört, soll es – scheinbar paradoxerweise – Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen auszugleichen helfen: Es sollte nämlich niemand Vorteile daraus ziehen, dass er in Drittstaaten unter Missachtung der Menschenrechte produzieren lässt, während in unseren Breiten Unternehmen wegen kleiner Ordnungswidrigkeiten schikaniert werden.
In der Diskussion an der Schnittstelle von Recht und Politik will Soyer an das Beispiel der USA erinnern, die nicht zögern, ihre gerichtliche Zuständigkeit weit über das eigene Territorium zu erstrecken: „Wenn international agierende Unternehmen in Ostasien strafrechtliche Probleme haben und an der New Yorker Börse notieren, dann wird die Zuständigkeit der US-Gerichte bejaht.“
Stärkerer Fokus auf Rechtspolitik
Daher solle auch Europa dort, wo es Ressourcen und Know-how habe, seine Wirkmacht zu erweitern versuchen: nämlich auf dem Gebiet der Menschenrechte. Auf diese Weise könnte Europa den Entwicklungen der Globalisierung Paroli bieten, meint Soyer zur „Presse“.
Er möchte den Alpbacher Rechtsgesprächen stärkere rechtspolitische Konturen geben und hat ein Dutzend Anwälte aus (auch) international tätigen Kanzleien zum Roundtable eingeladen: „Es geht darum, die Berufsgruppen zu integrieren“, sagt Richard Soyer. Die international agierenden Kanzleien sollen sich stärker an rechtspolitischen Diskursen beteiligen. (kom)