Türkei will Kurden aus Manbij vertreiben

Eine zerstörte Straße in Manbij. Nach dem Kampf gegen den IS könnte der Stadt nun ein Kampf Türkei gegen Kurden drohen.
Eine zerstörte Straße in Manbij. Nach dem Kampf gegen den IS könnte der Stadt nun ein Kampf Türkei gegen Kurden drohen.REUTERS
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Der türkische Außenminister Cavusoglu wirft der Kurdenmiliz YPG "ethnische Säuberung" vor und droht mit Militärschlägen, sollten sich die Kurden nicht zurückziehen.

Die Türkei setzt ihren Kampf gegen die Kurdenmiliz YPG im Norden Syriens trotz Kritik fort. Die türkische Armee werde die YPG so lange bekämpfen, bis diese sich wieder östlich des Euphrat zurückziehe, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montag. Die US-Regierung rügte Gefechte zwischen türkischen Soldaten und den von Washington unterstützten syrisch-kurdischen Kämpfern als "inakzeptabel".

Cavusoglu forderte die YPG-Kämpfer auf, sich "so schnell wie möglich" an das Ostufer des Euphrats zurückzuziehen. "So lange sie das nicht machen, stellen sie für uns ein Ziel dar", fügte Cavusoglu nach einem Treffen mit seinem niederländischen Kollegen Bert Koenders in Ankara hinzu.

Der Minister warf der Kurdenmiliz "ethnische Säuberungen" in den von ihr eroberten Gebieten vor. Es gehe der Kurdenmiliz um die Vertreibung der Araber aus der Region um Manbij. Die YPG versuche, die Rückkehr geflüchteter arabischer Bewohner in die kürzlich von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zurückeroberte Stadt zu verhindern. Die YPG vertreibe aber auch andersdenkende Kurden. "Die Menschen, die diese Region verlassen mussten, müssen dort angesiedelt werden, sie müssen dort leben", sagte Cavusoglu.

Rebellen gegen Kurden-Bündnis

Von türkischen Panzern unterstützte syrische Rebellen rückten auch am Montag an der Grenze zur Türkei weiter gegen von Kurden geführte Kräfte vor. Mehrere bewaffnete Gruppen erklärten über Twitter, sie hätten südlich der Grenzstadt Jarablus weitere Dörfer von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF/DFS) erobert. Dabei handelt es sich um ein von Kurden angeführtes Bündnis. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien meldete Geländegewinne der Rebellen.

Die Türkei hatte am vergangenen Mittwoch ihre Offensive "Schutzschild Euphrat" gestartet, die sich neben dem IS vor allem auch gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), den bewaffneten Arm der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), richtet. Die Regierung in Ankara bezeichnet die PYD als syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die sie in der Türkei seit Jahren als Terrororganisation bekämpft.

Die Kurden wollen in ihrem angestammten Siedlungsgebiet in Nordsyrien ein eigenes Autonomiegebiet schaffen. Ankara will dies verhindern und mit dem Militäreinsatz eine Ausweitung des Kurdengebiets entlang der türkischen Grenze stoppen.

Die türkische Offensive im syrischen Grenzgebiet hat die Lage in dem Bürgerkriegsland zusätzlich verkompliziert. Für die USA, ein wichtiger Nato-Partner der Türkei, ist die YPG einer der wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den IS in Syrien.

US-Sondergesandte: Gefechte "inakzeptabel"

Der Sonderbeauftragte von US-Präsident Barack Obama für den Kampf gegen den IS, Brett McGurk, bezeichnete Gefechte zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern sowie deren arabischen Verbündeten nahe des Grenzorts Jarablus am Montag als "inakzeptabel".

Auch Pentagonsprecher Peter Cook erklärte, die Gefechte seien für die US-Regierung ein "Grund zu großer Sorge". Die Zusammenstöße bei Jarablus, wo der IS nicht mehr vertreten sei, seien mit der US-Armee nicht abgesprochen "und wir unterstützen sie nicht", fügte Cook hinzu.

Hahn: "Flüchtlingsdeal ist getrennt zu sehen"

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn geht unterdessen davon aus, dass die Türkei auch ohne Visa-Freiheit am Flüchtlingsabkommen mit der EU festhalten wird. "Der Flüchtlingsdeal ist getrennt zu sehen von der Visa-Liberalisierung", sagte Hahn dem "Handelsblatt". Ankara hatte gedroht, das Abkommen platzen zu lassen, wenn der Visazwang nicht bis Oktober fällt. Die Türkei profitiere von dem Abkommen genauso stark wie die EU, sagte Hahn zur Begründung. Er verwies auf die von der EU bereitgestellten Finanzmittel zur Versorgung der rund 2,7 Millionen Flüchtlinge in der Türkei. Darauf wolle Ankara "bestimmt nicht verzichten", sagte der Österreicher.

Hahn sprach sich zudem dagegen aus, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei abzubrechen, wie es Bundeskanzlerin Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) kürzlich gefordert hatten. Er sei sich mit den 27 anderen EU-Staaten darin einig, "dass wir mit der Türkei im Gespräch bleiben sollten, solange Ankara das auch will", so Hahn.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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