"Österreicher mögen fleißige Leute"

Mwafk Ahmad
Mwafk Ahmad (c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Der 22-jährige Student Mwafk Ahmad ist vor dem Krieg in Syrien nach Österreich geflüchtet. Der Österreichische Integrationsfonds hat ihm die Teilnahme am Forum ermöglicht.

Fünf Sekunden, höchstens zehn. Länger hält Mwafk Ahmad Nachrichten aus Syrien nicht aus. „Sobald ich die ersten Bilder und Videos aus zerstörten Städten wie Aleppo sehe, muss ich umschalten, sie sind einfach unerträglich. Vor allem, weil ich von hier aus nur zusehen und nichts unternehmen kann“, sagt der Student. „Das belastet mich extrem, weswegen ich versuche, so wenig wie möglich von dem Krieg in Syrien mitzubekommen.“

Der 22-jährige ist Stipendiat der Zusammen:Österreich-Akademie, einem Potenzialförderungsprojekt des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) für Studierende mit Migrationshintergrund. Neben Seminaren, Vorträgen und Podiumsdiskussionen während des Europäischen Forums in Alpbach stehen auch Ausflüge nach Innsbruck sowie Salzburg und am Mittwoch auch ein persönliches Treffen mit Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) auf dem Programm.

Flucht aus Abu Dhabi

Seit drei Jahren lebt „Mo“, wie ihn seine Freunde nennen, in Wien und studiert Bauingenieurswesen an der Technischen Universität. Wie Millionen andere ist auch er vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen, mittlerweile hat er Asyl erhalten. Er stammt aus der multiethnischen Stadt Kamishli im Nordosten des Landes an der Grenze zur Türkei, wo seit jeher Kurden, Araber, Armenier und Aramäer ohne nennenswerte Konflikte zusammen leben.
Bis die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kam und die 200.000-Einwohnerstadt zum Kriegsgebiet wurde. Für Ahmad einer von vielen Beweisen dafür, dass der IS nichts mit dem Islam zu tun hat. „Sie bezeichnen sich als Muslime und machen Jagd auf uns Kurden, wir sind aber auch Muslime“, sagt er. „Diese Menschen sind nichts anderes als Terroristen, ihnen geht es nur um Macht, Geld und Gewalt. In Kamishli waren die vielen Ethnien und Religionen bisher nie ein Problem.“

Familie hat der 22-jährige Hobbyfußballer in Syrien kaum noch. „Jeder, der konnte, ist geflohen“, sagt Ahmad. Seine beiden Brüder und seine Schwester sind in Deutschland gelandet, seine Eltern leben und arbeiten noch in den Vereinigten Arabischen Emiraten – wo auch er selbst studiert hat, bevor er nach Österreich gekommen ist. Nach Ablaufen seines Studentenvisums blieb ihm aber nichts anderes übrig, als nach Europa zu gehen. Eine Rückkehr nach Syrien war keine Option, dem IS waren bereits damals mehrere Freunde und einer seiner Cousins zum Opfer gefallen.

„Ich habe mich dann genau über einige Städte in Europa erkundigt und habe mich schließlich wegen der Technischen Universität für Wien entschieden“, erzählt er. „Für mich war klar, dass ich mein Studium fortsetzen werde, wenn ich Abu Dhabi verlasse. Dem Studium ordne ich alles andere unter.“ Eine Rückkehr nach Syrien kann er sich auch nach dem Studium nur schwer vorstellen.

„Rückkehr in 20 Jahren“

Zum einen, weil er in Österreich eine neue Heimat mit vielen engen Freunden gefunden habe, zum anderen, weil die Lage in Syrien zu „vertrackt“ sei. „Zu viele Armeen haben die Hände im Spiel, zu viele Interessen und Befindlichkeiten“, meint er. „Auf Kurdisch sagen wir Salat dazu, weil alles so durcheinander gebracht wurde und nur noch Chaos herrscht. Besonders optimistisch bin ich daher nicht, was die Zukunft des Landes angeht. Eine Rückkehr ist vielleicht in 20 Jahren denkbar, wenn überhaupt.“ Falls es irgendwann einmal doch soweit kommen sollte, könne er sich aber sehr wohl vorstellen, als Bauingenieur am Wiederaufbau Syriens mitzuwirken.

Krieg kein Thema

Durch den Krieg ist auch der Kontakt zu Ahmads meisten Freunden und Bekannten abgebrochen. Es gebe nur noch ein paar enge Vertraute, mit denen er sich regelmäßig austausche. „Telefonieren geht kaum, weil der Empfang so schlecht ist oder die Leitungen komplett zerstört sind, aber wir chatten viel“, sagt er. „Dabei reden wir aber nie über den Krieg oder die Terroristen. Wir erzählen einander lieber vom jeweiligen Alltag, von der Arbeit und vom Fortschritt auf der Universität.“

Dafür, dass in der heimischen Bevölkerung der Ruf vieler Flüchtlinge im vergangenen Jahr durch Ereignisse wie die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln stark gelitten hat, zeigt Ahmad durchaus Verständnis. „Die Leute haben nicht Unrecht, viele Flüchtlinge machen Probleme, das kann man nicht leugnen“, sagt er.

Andererseits spüre er aber nach wie vor sehr viel Sympathie und Unterstützung für Menschen auf der Flucht. Die Bevölkerung könne durchaus unterscheiden zwischen kriminellen Menschen und jenen, die arbeiten oder studieren und sich in die Gesellschaft integrieren wollen, um ihren Beitrag zu leisten. „Und die meisten wollen das, vor allem die Syrer. Das schätzen die Österreicher, denn eines habe ich gelernt: Österreicher mögen fleißige Leute.“

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