Die Alpbacher Parallelwelt

ÖGB-Präsident Erich Foglar (L.) und AK-Präsident Rudolf Kaske
ÖGB-Präsident Erich Foglar (L.) und AK-Präsident Rudolf Kaske(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Seit Jahren trifft sich der rote „Wiener Wirtschaftsklub“ zur Vorstandsklausur in Alpbach. Das Treffen ist mittlerweile zu einer Art Gegenveranstaltung der „neoliberalen“ Wirtschaftsgespräche mutiert.

Zum zwölften Mal gibt es sie schon. Nämlich jene Gruppe Menschen mit roten Schirmkappen, die alljährlich während der Wirtschaftsgespräche in Alpbach gesehen wird. 2005 waren sie das erste Mal da. Und seitdem ist ihre Anwesenheit zu so etwas wie einem alten Brauch im Tiroler Dorf geworden. Dabei hat die Gruppe mit Konservativem so überhaupt nichts am Hut. Vielmehr wollen die Mitglieder in Alpbach „rote Kontrapunkte“ setzen. Das Treffen darf also getrost als Gegenveranstaltung zu den Wirtschaftsgesprächen gesehen werden. Auf der Homepage der Gruppe heißt es denn auch: „Wirtschaft und Wirtschaftspolitik für Österreich, Europa und seine Menschen darf nicht allein konservativen und neoliberalen Kräften überlassen werden.“

SPÖ-Wirtschaftstreibende

Willkommen in der Welt des „Wiener Wirtschaftsklubs“. Der wurde im Mai 1950 gegründet. Als Vereinszweck wurde damals „die gesellige Zusammenfassung der auf dem Gebiete der Wirtschafts- und Sozialverwaltung einschließlich der öffentlichen Verwaltung tätigen Funktionäre“ bezeichnet. In Wahrheit – und deutlich einfacher ausgedrückt – geht es darum: Der Wirtschaftsklub war und ist der Versuch der SPÖ, sozialdemokratische Wirtschaftstreibende – seien es Bank- oder Industriemanager, seien es Gewerkschaftsfunktionäre – zusammen zu bringen. Es geht ums Netzwerken, um den Gedankenaustausch, um die Ideenfindung.

Dass der Wirtschaftsklub seit 2005 eine Art Gegenveranstaltung zu den Alpbacher Wirtschaftsgesprächen bildet, hatte seinerzeit allerdings weniger politische denn pragmatische Gründe, wie Klub-Generalsekretär Peter Gross erläutert: Präsident des Wirtschaftsklubs war damals nämlich ein gewisser Wolfgang Ruttenstorfer. Und als seinerzeitiger Chef des börsenotierten Öl- und Gaskonzerns OMV war er natürlich regelmäßig in Alpbach zugegen. Rotes Parteibuch hin oder her: In Alpbach durfte der Boss eines so großen österreichischen Industrie-Flaggschiffs nicht fehlen. Da wurde also kurzerhand beschlossen, die jährliche Vorstandsklausur des Wirtschaftsklubs nach Alpbach zu verlegen. Das war durchaus praktisch. Und gegen die daraus entstehende Publicity werden die Klub-Granden wohl auch nichts gehabt haben.

So kommt es, dass der Wiener Wirtschaftsklub Jahr für Jahr im Rahmen seiner Vorstandsklausur aktuelle wirtschaftspolitische Themen diskutiert und die eigene Ausrichtung in diversen Fragen festgelegt wird. Zum Ende der Alpbacher Wirtschaftsgespräche klingt auch die Klausur des Wirtschaftsklubs aus. Dann gibt es das auch schon traditionelle Mittagessen im Böglerhof – mit prominenten Gästen. Auf der Homepage des Wirtschaftsklubs heißt es: „Neue und kritische wirtschaftspolitische Beiträge, innovative Ideen und Gedanken werden hier gehört und bei gutem Essen und Wein – auch kontroversiell – diskutiert.“

Prominente Vortragende

Heuer sind als Vortragende ÖGB-Chef Erich Foglar, Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske und Sozialminister Alois Stöger eingeladen worden. Wobei gerade die Gästeliste das Dilemma der „Gegenveranstaltung“, also dem Setzen von „Kontrapunkten“, offenbart: 2014 ist die Industriellenvereinigung ja als exklusiver Sponsor der Alpbacher Wirtschaftsgespräche ausgestiegen. Das waren und sind für viele Rote die „bösen Neoliberalen“.
Jetzt sind Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer Geldgeber des Forum Alpbach. Im Wirtschaftsklub setzt also die Arbeiterkammer gewissermaßen Kontrapunkte zu ihrer eigenen Großveranstaltung.
Aber die Tradition will es offenbar so.

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