Warum Teilen die Wirtschaft antreibt

Robin Chase
Robin Chase(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Die Sharing-Economy ist dabei, das traditionelle System zu überrollen. Die Motive hinter dem Systemwechsel mögen vielfältig sein. Für Zipcar-Gründerin Robin Chase ist es der Umweltschutz.

In einer Einschätzung scheinen sich alle einig: Unsere bisherigen Wirtschaftsmodelle können die immer komplexer werdende Welt nicht mehr erklären. Und während Theoretiker noch überlegen, wie neue Modelle aussehen könnten, verschiebt sich das System zusehends. „Die Zukunft ist bereits angebrochen – sie ist nur ungleich verteilt“, zitiert Robin Chase, die Gründerin der Plattform Zipcar, eine in den USA gängige Phrase. „Es gibt ein neues wirtschaftliches Paradigma, das das bestehende System dramatisch ändern wird. Manche nennen es Sharing Economy oder Plattform Economy.“ Genau darüber, über „Neue Welt – neue Wege“ diskutiert Chase heute mit César A. Hidalgo (Media Lab, MIT), Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, Staatssekretär Harald Mahrer und Turner-International-President Gerhard Zeiler (14.30 Uhr, Elisabeth-Herz-Kremenak-Saal).

Die von Chase angesprochenen Plattformen würden alte Geschäftsmodelle vollkommen neu definieren und sie vor allem viel partizipativer organisieren: Egal, ob man statt eines Taxis einen privaten Chauffeur über Uber buche oder statt eines Hotelzimmers eine private Unterkunft über Airbnb. Letztere Plattform hatte innerhalb von nur vier Jahren so viele Zimmer zu vermieten wie die größte Hotelkette der Welt, nicht weniger als 650.000. Dieses rasche Wachstum, sagt Chase, sei möglich, „weil es den Plattformen besser als etablierten Organisationen gelingt, sich lokalen Gegebenheiten anzupassen und aus Best-Practice-Beispielen zu lernen.“

Die Skepsis gegenüber dem Teilen

Wer an die Plattformen und an Sharing- Economy denkt, stelle sich zwangsläufig die Frage nach dem Wert des Eigentums. Den stellte Chase auch nicht in Frage. Doch sie will das Teilen nicht nur auf physische Werte wie das Haus oder das Auto verstanden wissen. „Wir teilen Fotos auf Facebook, Wissen auf Wikipedia und unsere Netzwerk über LinkedIn.“ Wir würden Dinge besitzen wollen, „weil wir dann das Gefühl haben, sicher sein zu können, dass die Dinge da sind, wenn wir sie brauchen. Darum will ich mein eigenes Auto“. Aber wenn man alle Autos in einen Pool gebe, dann sei immer eines verfügbar. Ein einziges Auto könne man nicht so gut teilen, „doch wenn tausende Autos im Pool sind, geht das gut, weil wir die Dinge ja nicht alle zur gleichen Zeit haben wollen“.

Wenn Chase für die Plattform-Economy auftritt, dann aber nicht, weil sie ein Problem mit dem Eigentum hat. Im Gegenteil. Ihr Treiber ist vielmehr der Umweltschutz- und Ressourcen-Gedanke. Die Klimaerwärmung sei dramatisch, und den Autoverkehr einzuschränken, sei ein Mittel, sich dagegen zu stellen. „Wenn wir weiterhin so mit unserem Planeten umgehen, dann steht uns eine Revolution bevor.“ Weil noch mehr Landstriche unbewohnbar werden und Menschen nicht schweigend zusehen würden, wie ihnen die Lebensgrundlage entzogen werde.

Die Angst vor dem Jobverlust

Doch provozieren nicht auch Plattformen geradezu Revolutionen: Wenn sich Menschen Autos teilten, würden weniger Fahrzeuge benötigt, weniger Tankstellen, weniger Werkstätten etc. Zahllose Jobs würden verloren gehen. „Wenn wir krampfhaft am Status quo festhalten, hält uns das davon ab, die großen Probleme wie den Klimawandel in Angriff zu nehmen“, sagt Chase. „Weil wir sofort fragen, was mit den Jobs passiert.“ Doch das sei so, als würde man sagen, wir müssen rauchen, um die Tabakbauern im Geschäft zu halten. Wandel, sagt sie, habe eben immer Gewinner und Verlierer.

Ein Grundeinkommen für alle

Mit der Plattform-Economy verändere sich auch für jene, die einen Job haben, die Arbeitssituation, sagt Chase. „Wir haben unser System darauf gebaut, dass Menschen lebenslang einen Vollzeitjob ausüben.“ Das entspreche längst nicht mehr der Realität. Die sehe so aus, dass wir eine Reihe an temporären Jobs ausüben. Zwar sei es nicht für jeden einfach, ständig neue Projekte zu finden, sagt Chase. „Aber die Plattform-Economy macht es leichter, Zugänge zu finden.“

Sie schlägt daher ein generelles Grundeinkommen vor. Wie sich das finanzieren lässt? „In einer Welt, in der wir keine Vollzeitjobs haben, werden wir Arbeit nicht mehr sinnvoll besteuern können. Wir müssen die Plattformen besteuern.“ Ein Grundeinkommen würde Menschen die Möglichkeit einräumen, das zu tun, was sie wirklich gern tun. Schließlich wären weltweit 86 Prozent mit ihrer Tätigkeit unzufrieden.

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