Die barbusige Marianne und der Burkini-Streit

Die barbusige Marianne ist in Frankreich allgegenwärtig.
Die barbusige Marianne ist in Frankreich allgegenwärtig.(c) APA/AFP/JACQUES DEMARTHON (JACQUES DEMARTHON)
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Im Streit um das französische Burkini-Verbot bringt Premierminister Valls die Nationalfigur ins Spiel: "Sie ist nicht verhüllt, weil sie frei ist. Das ist die Republik."

Im Streit um den Burkini muss nun auch die französische Nationalfigur Marianne als Argument herhalten. Premierminister Manuel Valls sieht die Figur als Symbol für Frauenrechte. "Ihre Brust ist nackt, weil sie das Volk nährt. Sie ist nicht verhüllt, weil sie frei ist. Das ist die Republik", sagte er am Montagabend bei einer Kundgebung in der Nähe von Toulouse.

Zuvor hatte der sozialistische Politiker betont, beim Platz der Frau in der Gesellschaft dürfe nicht nachgegeben werden. Seit mehreren Wochen streitet Frankreich heftig um Ganzkörper-Schwimmanzüge für Musliminnen, sogenannte Burkinis. Valls hatte diese als "Bekräftigung eines politischen Islamismus im öffentlichen Raum" angeprangert und war dafür auch im eigenen Lager kritisiert worden.

Mariannes Kopfbedeckung

Marianne ist die Symbolfigur der französischen Republik. Valls' Kommentar rief umgehend Kritik hervor. Die Historikerin Mathilde Larrère warf ihm vor, alles durcheinanderzuwerfen: "Er verwechselt die Republik und das Recht der Frauen. Hat er vergessen, dass sie unter der Republik lange keine Freiheit hatten?", sagte sie am Dienstag dem Magazin "Le Point". Andere wiesen darauf hin, dass Mariannes Kopf auf manchen Darstellungen bedeckt ist - mit einer Jakobinermütze.

Lokale Burkini-Verbote sind in der Vorwoche vom obersten Verwaltungsgericht Frankreichs aufgehoben worden. Der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr ein politisches Comeback anpeilt, hat eine Verfassungsänderung vorgeschlagen, um Burkinis verbieten zu können.

Marianne

Während der Französischen Revolution wurde Marianne - ein damals häufiger Name - zum Symbol der Freiheit und der französischen Republik, die bis dahin eher von Francia (oder Gallia) allegorisch dargestellt wurde. Marianne schmückt als Büste viele Amtsgebäude und ist landesweit auf vielen Statuen zu sehen. Auf dem Kopf trägt Marianne meist eine phrygische Mütze, eine oder beide Brüste sind häufig unbedeckt.

Die Kopfbedeckung stand als so genannte Freiheitsmütze in der politischen Bildsprache Frankreichs und Europas während und nach der Revolution für demokratische und republikanische Gesinnung - allerdings aufgrund eines Missverständnisses. Die Jakobiner glaubten, die phrygische Mütze sei in der Antike von freigelassenen Sklaven getragen worden, doch diese trugen einen Pileus.

(APA/dpa)

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