Pressefoyer-Abschaffung: "Ein Stück Pressefreiheit geht verloren"

MINISTERRAT - PRESSEFOYER: SCHELLING / DROZDA
MINISTERRAT - PRESSEFOYER: SCHELLING / DROZDA(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Journalistengewerkschaft, ORF-Redakteursrat, ÖJC, Presseclub Concordia und die Vereinigung der Parlamentsredakteure wehren sich geschlossen gegen die Abschaffung des Pressegesprächs nach dem Ministerrat.

Die Regierung hat den innenpolitischen Herbst mit einer kleinen Überraschung für die Medien gestartet und schafft  kurzerhand das traditionelle Pressefoyer ab, das kündigte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Dienstag vor Sitzungsbeginn an. Die Abschaffung stößt nun auf massive Kritik bei den heimischen Journalisten. Die Journalistengewerkschaft GPA-djp, der ORF-Redakteursrat, der Österreichische Journalisten Club (ÖJC), der Presseclub Concordia und die Vereinigung der Parlamentsredakteure protestieren in einer gemeinsamen Aussendung gegen das Aus für das Pressefoyer.

"Es kann nicht im Sinne politischer Transparenz sein, wenn den Medien eine Möglichkeit genommen wird, Kanzler und Vizekanzler persönlich zu ihrer Verantwortung bei wesentlichen Themen zu befragen", heißt es in dem Schreiben. Denn kritisches Nachfragen zähle zu den wesentlichen Aufgaben der Medien – "und nicht eine unhinterfragte Verbreitung vorgefertigter Statements im Sinne von Regierungs-Propaganda."

Es reiche nicht, die Öffentlichkeit selektiv über Beschlüsse des Ministerrates zu informieren. "Immer wieder war in entscheidenden Phasen österreichischer Politik das Pressefoyer die einzige Möglichkeit, Regierenden, die sich sonst einem Interview verweigert haben, aktuelle Fragen zu stellen", schreiben die Journalistenvertreter. Diesen Fragen könnten für einen Kanzler oder Vizekanzler durchaus unangenehm und lästig sein, heißt es weiter. Aber das Streichen einer wichtigen Möglichkeit des Hinterfragens oberster Verantwortlicher könne in einer Demokratie nicht die Antwort sein.

"Ein Stück Pressefreiheit geht verloren"

"Aus unserer Sicht geht ein Stück Pressefreiheit in Österreich verloren, da es nicht mehr möglich ist, ohne vorherige Interviewanfrage Regierungspolitikern Fragen stellen zu können." Die Verlagerung politischer Kommunikation von den traditionellen Medien in soziale Netzwerke wie Facebook ist aus Sicht der Journalisten eine Entwicklung, die nicht gut für die Demokratie sei, weil es keine Möglichkeit zum kritischen Nachfragen mehr gebe. Der angekündigte "Kanzler-Blog" sei eine Ein-Weg-Kommunikation, die keine kritischen Nachfragen von professionellen Politik-Journalisten erlaube.

Die Journalisten-Vertretungen kündigen an, genau zu beobachten wie sehr es durch die Abschaffung des Pressefoyers zu einer Einschränkung der Medienfreiheit für traditionelle Medien kommen werde.

(APA/Red.)

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