Die SPD stimmt im September über Ceta ab. Und damit auch über die Zukunft ihres Parteichefs. Denn Sigmar Gabriel hat als Wirtschaftsminister intensiv für das Handelsabkommen mit Kanada geworben.
Berlin. Nicht, dass Sigmar Gabriel jemals ein großer TTIP-Freund gewesen wäre. Der SPD-Chef hatte nach dem Verhandlungsbeginn vor drei Jahren relativ bald bemerkt, dass das Freihandelsabkommen mit den USA in seiner Partei nicht durchzusetzen sein wird, und daran seine Position ausgerichtet. Aber dass er TTIP am Sonntag für gescheitert erklärte, kam dann doch überraschend. Als Europäer könne man sich den harten Forderungen der USA nicht unterwerfen, argumentierte der Wirtschaftsminister im ZDF-Interview. Und deshalb „bewegt sich da nichts“.
Beim Koalitionspartner, der Union, wollte man das so nicht stehenlassen. TTIP sei noch nicht am Ende, stellte Kanzlerin Angela Merkel klar. Es habe selten Verhandlungen gegeben, in denen die entscheidenden Kompromisse schon Monate vor dem Abschluss möglich gewesen wären. Gabriel weiß das ebenso gut, aber es geht ihm in diesen Tagen weniger um die Sache als um das innenpolitische Überleben. Und dafür muss er TTIP opfern.
Denn Gabriels eigentliches Problem ist nicht das Handelsabkommen mit den USA, sondern jenes mit Kanada. Für Ceta, das bereits ausverhandelt ist, hat er als Wirtschaftsminister intensiv geworben. In seiner Partei gibt es allerdings Zweifel. Erhebliche Zweifel. Wesentliche Teile der SPD, der linke Flügel und einige Landesorganisationen, glauben, dass Ceta europäische Arbeits- und Sozialstandards untergräbt. Zuletzt stellte sich auch der wahlkämpfende Berliner Bürgermeister, Michael Müller, gegen Gabriel: In Berlin wolle man die öffentliche Daseinsvorsorge stärken. Das passe nicht zu Ceta, das den privaten Bereich in den Vordergrund stelle.
Am 19. September, am Montag nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, will die SPD bei einem Konvent in Wolfsburg ihre Position zu Ceta klären. Stimmt die Partei gegen das Abkommen, wäre Gabriels Autorität schwer beschädigt. In Kombination mit schlechten Wahlergebnissen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern (das schon diesen Sonntag an der Reihe ist) könnte das dazu führen, dass sich die SPD nach einem anderen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 umsieht. Und möglicherweise auch nach einem neuen Parteichef.
Deshalb versucht Gabriel jetzt, Ceta als gute Alternative zu TTIP darzustellen. Er begräbt das eine, um das andere zu retten. Und damit sich selbst. Die Debatte gestalte sich schwierig, weil man beide Abkommen in einen Topf werfe, erklärte er am Sonntag. „Und das ist falsch.“
Die USA sind irritiert, Steinmeier nicht
Die US-Regierung zeigte sich am Dienstag über Gabriels Aussagen irritiert. Es liege in der Natur von Handelsgesprächen, dass nichts vereinbart sei, bis alles vereinbart sei, sagte der Sprecher des US-Handelsbeauftragten Michael Froman zu Spiegel Online. In Wahrheit gebe es laufend Fortschritte. Dafür sprang Außenminister Frank-Walter Steinmeier seinem Parteifreund Gabriel bei. Die Verhandlungspartner seien noch „weit entfernt“ von ähnlich hochwertigen Standards für Produkte und Handelsprozesse, wie sie die EU bei anderen Abkommen wahrscheinlich vereinbaren könne – zum Beispiel bei Ceta. Man habe noch viel Arbeit vor sich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2016)