Wie Angst das Wahlverhalten ändert

Eva Zeglovits
Eva Zeglovits(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Sozialwissenschaftlerin Eva Zeglovits spricht über Furcht, die das (Wahl-)Verhalten beeinflussen kann. Und die Mobilisationskraft der Hoffnung.

Die Presse: Sie diskutieren heute zum Thema: „Wo die Angst im Vormarsch ist, weicht die Vernunft zurück.“ Gilt das auch für das Wahlverhalten?

Eva Zeglovits: Angst ist eine Emotion, die Wähler mobilisieren kann – ähnlich wie Zorn oder Hoffnung. Das ist etwas, das üblicherweise Oppositionsparteien tun. In Europa arbeiten vor allem rechtspopulistische Parteien stark mit Emotionen.

„Wer Angst hat, wählt Rechtspopulisten“ wäre demnach trotzdem zu kurz gegriffen.

Ganz so einfach ist es nicht. In Österreich wählen Menschen mit vielfältigen Befürchtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit FPÖ. Das hat mehrere Ursachen, aber eine davon ist: Die FPÖ arbeitet mit Emotionen.

Die FPÖ ist stark bei jungen Männern. Fürchten sie sich mehr als junge Frauen?

Es ist vor allem ein Phänomen der jungen, bildungsfernen Schichten. Sie haben große Ängste, zum Beispiel, was ihre berufliche Zukunft betrifft. Sie schauen pessimistisch in die Zukunft. Das beobachten wir bei jungen Männern – auch wenn das wohl diejenigen sind, die das nicht gerne über sich hören.

Warum aber ausgerechnet junge Männer?

Dazu habe ich jetzt keine Daten, das muss ich aus dem Bauch heraus beantworten. Vielfach fühlen sie sich noch immer in der Pflicht, die Familie zu ernähren. Und setzten sich so stark unter Druck.

Menschen mit Sorgen wählen also nicht per se Rechtspopulisten. Die schaffen es aber am besten, Menschen anzusprechen.

Das ist der Mechanismus, der derzeit in Europa läuft. Aber man darf das nicht auf Rechtspopulisten beschränken, das wäre nicht fair.

Alexander Van der Bellen hat auch mit Angst Wahlkampf gemacht: mit Angst vor einem blauen Bundespräsidenten.

Genau, so funktioniert es auch. Spannend ist die Entwicklung in Europa in den letzten Jahren. Die Menschen haben das Gefühl, die Politik kann Probleme nicht lösen. Ihr Vertrauen ist erschüttert. Betroffene haben dann zwei Optionen. Entweder sie ziehen sich zurück und sagen: es interessiert mich nicht, oder sie geben ihre Stimme einer Partei, die sich ihrer Emotionen annimmt.

Auch wenn diese Partei oftmals keine Lösungsansätze präsentiert?

In der Politikwissenschaft gibt es das Modell des rationalen Wählers. Er hat eine bestimmte Position in der Gesellschaft, daraus entstehen politische Interessen. Er schaut, welche Partei die Interessen am besten vertritt. Das funktioniert aber meist nicht, wenn Emotionen mit im Spiel sind. Es wurde hier in Alpbach auch schon angesprochen: Wir brauchen die neue Aufklärung, damit wir uns von Ängsten, die nicht evidenzbasiert sind, nicht die Entscheidungen abnehmen lassen.

Sie sagten zuvor, dass man auch mit Hoffnung mobilisieren kann. US-Präsident Barack Obama hat das etwa gemacht. Ist es in Österreich in Zeiten wie diesen nicht möglich, mit Zuversicht zu mobilisieren?

Obama wird auch ein Teil meines Vortrages sein. Ich glaub schon, dass es möglich ist. Angela Merkels „wir schaffen das“ war eine Hoffnungsbotschaft. Es ist aber auch schwieriger, weil man als Politiker dann auch eine Vision haben soll, wohin es in Zukunft im Land gehen soll.

Wie können – nicht rechtspopulistische – Parteien ängstliche Wähler überzeugen?

Man kann sagen: Wähle mich, ich verstehe deine Sorgen und finde sie total schlimm. Oder: Du hast eine Sorge, ich hab eine Lösung. Man kann auch darauf aufmerksam machen: Du hast eine Sorge, aber es gibt andere Themen, die mindestens genauso wichtig sind. Über die redet man, vielleicht erscheint die ursprüngliche Sorge dann kleiner.

Zum Abschluss: Wer wird die Bundespräsidenten-Wahl am 2. Oktober gewinnen?

Derjenige, der seine Wähler besser mobilisieren kann, ein drittes Mal zur Wahl zu gehen. Kaum ein Wähler wird seine Präferenz wechseln. Wir wissen aus Umfragen: Die Menschen vertrauen dem Verfassungsgerichtshof und sehen Schlampereien bei der Auszählung. An Manipulation glauben sie nicht.

Wie stehen die Menschen zur Wahlwiederholung?

Es ist ein „ja, aber . . .“: Es wurde zwar schlampig gearbeitet, aber es wird schon gepasst haben. Begeisterung gibt es nicht.

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