Digitale Revolution: "Soziale Absicherung fehlt"

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Staatssekretärin Muna Duzdar sieht durch die Digitalisierung für Arbeitnehmer eine neue Ära angebrochen – Jobs werden verschwinden, andere entstehen. Bildung sei der Schlüssel, damit niemand auf der Strecke bleibe.

Die Presse: Kommt nach der landwirtschaftlichen Revolution, der industriellen Revolution nun auch die digitale Revolution?

Muna Duzdar: Ja, auf jeden Fall, sie hat schon begonnen. Wir sehen, dass die Digitalisierung alle Teile unserer Gesellschaft durchflutet. Sei es in der Arbeitswelt, im industriellen Bereich oder im Privaten. Wir sehen große Veränderungen, wir können momentan aber noch überhaupt nicht abschätzen, was das bedeutet. Unterschiedlichste Studien zeichnen heute unterschiedlichste Szenarien, aber dass wir am Beginn einer neuen Ära sind, darüber sind sich alle einig.

Das heißt vorerst einmal abwarten und sehen, wie es sich entwickelt?

Nein, eben nicht. Es ist für mich wichtig zu sagen, dass wir von Seiten der Politik das Phänomen nicht nur interessiert beobachten, sondern auch ganz massiv mitgestalten wollen. Schon deswegen, weil die Digitalisierung die ganze Arbeitswelt verändert: Es werden Arbeitsplätze verschwinden, es wird aber auch neue geben. Wir müssen darauf achten, dass bei diesem Prozess niemand auf der Strecke bleibt und ganze Gruppen in die Arbeitslosigkeit abgleiten.

Es sind schon viele neue Jobs entstanden. Viele davon sind prekär – andererseits gibt es in diesem Segment viele mutige Unternehmer, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Eine Lobby haben sie eigentlich keine.

Ja, das stimmt. Derzeit ist das alles so jenseits jeder Regulierung, da gibt es viel zu tun. Mich erinnert das oft ein bisschen an die Heimarbeit im 19. Jahrhundert. Man ist zwar flexibel, kann von zu Hause arbeiten – aber die soziale Absicherung der Menschen, die nun in diesem Bereich arbeiten, fehlt.

Ob sich die Gewerkschaft dieser neuen Gruppe annehmen wird, ist fraglich – bisher scheint sie keine große Freude mit der Digitalisierung zu haben. Verständlich: Diese wertet menschliche Arbeit auch ab, macht sie unnötig und billiger.

Prinzipiell ist die Gewerkschaft sehr interessiert an dem Thema. Sie will eben nachvollziehbarer Weise nicht, dass der digitale Wandel zu Lasten der Arbeitnehmer geht. Denn es geht hier auch sehr stark um Menschenwürde und gesellschaftliche Teilhabe. Aber ich sehe, das Interesse mitzugestalten, ist groß. Auch die Arbeiterkammer interessiert sich im Übrigen sehr dafür. Derzeit arbeitet sie an einer Studie, die überhaupt einmal erheben soll, wie viele sogenannte Crowdworker es in Österreich gibt – es ist ein Phänomen, das wir noch gar nicht greifen können, weil so viel im Hinterzimmer passiert. Das ist im Übrigen auch ein Grund, warum es hier so wenig Organisationskraft gibt – weder von Seiten der Unternehmer, noch von Arbeitnehmern.

Es werden also alte Arbeitsplätze verschwinden und neue entstehen – es werden wohl aber nicht jene, die die Arbeitsplätze verlieren, auf die neuen Stellen nachrücken. Es werden vor allem schlecht Ausgebildete ihren Job verlieren und Hochqualifizierte gebraucht. Wie will man dieses Problem lösen?

Es ist ein Auftrag an die Politik und auch an die Wirtschaft: Wir werden mehr in Bildung, Qualifikation, aber auch viel in Umschulungen und Weiterbildung investieren müssen. Und in erster Linie müssen wir weiterhin auch ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig Qualifikation ist.

Experten bezweifeln, ob Bildung wirklich der Schlüssel ist, um den Wandel zu schaffen. Viele fordern eine Steuerreform, die Arbeit günstiger macht – und multinationale Konzerne, die Steuern umgehen, in die Verantwortung nimmt.

Bildung ist sicher ein sehr wichtiger Puzzleteil, ein anderer, dass man von der sozialen Frage nicht abweichen darf. Es muss gerechtere Verteilung geben – und ja, dass multinationale Konzerne es umgehen können, Steuern zu zahlen, ist ein Problem. Allerdings leider eines, das Österreich nicht allein lösen kann – weil es eben weit über unsere Grenzen hinausreicht. Dafür braucht es eine globale, in erster Linie europäische Antwort.

Sie sagen, Bildung ist hier ein Auftrag an die Politik: Welche konkreten Schritte planen Sie?

Derzeit wird eben noch sehr viel aus Studien sondiert, womit wir es eigentlich zu tun haben. Parallel haben wir aber etwa schon Kooperationen mit dem Bildungsministerium, gehen aktiv in die Schulen und erarbeiten, wie digitale Bildung in Zukunft aussehen kann. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist etwa Quellenkritik. Das Internet bietet uns viele Informationen an, aber welche wählen wir? Wie wehre ich mich gegen Hass im Netz? Wie verwende ich das Internet, wie gehe ich damit um, eigentlich ständig erreichbar zu sein? Die Arbeitswelt dieser Kinder wird wahrscheinlich ganz anders aussehen als unsere.

Macht uns die Digitalisierung eigentlich frei, weil alles viel flexibler und ortsungebundener ist – oder krank, weil man immer und überall arbeiten kann? Studien belegen, dass mit der Digitalisierung Krankheiten wie Burn-Out oder Depression zunehmen.

Man ist allen diesen Dingen gegenüber nicht so ohnmächtig, wie man lange vielleicht geglaubt hat: Man muss lernen, dass man nicht immer erreichbar sein muss, nur weil es geht. Es braucht wieder mehr Empowerment der Arbeitnehmer in diesem Bereich. Nichts, was hier passiert, ist gottgegeben, wir können und müssen das mitgestalten. Das gilt im Übrigen auch für Hass im Netz. Auch hier können und müssen wir neue Spielregeln aufstellen.

Wie sollen die aussehen? Wollen Sie eine Verschärfung des Strafrechts?

Nein, ich bin keine Freundin davon, permanent das Strafrecht zu bedienen – schlicht weil ich nicht glaube, dass der Hass bei einem Poster verschwindet, nur weil er eine Strafe bezahlen muss. Es braucht eine gesellschaftspolitische Debatte jenseits der Politik, wie der Umgang im Netz miteinander aussehen soll – was salonfähig ist und was eben nicht. Wir haben unsere Diskussions- und Konversationskultur jahrhundertelang weiterentwickelt – jetzt braucht es eben neue Parameter für ein Miteinander im Netz.

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