Wrabetz: „Eingepackt in viel gute Unterhaltung“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Donnerstag widmet sich das Parlament einen Tag lang dem ORF – Anlass ist die Novelle des ORF-Gesetzes. „Die Presse“ sprach im Vorfeld mit General Wrabetz über den Kanzler, Handshakes und Dominic Heinzl.

„Die Presse":Angeblich wurde das „Sommergespräch" auf Wunsch von Kanzler Werner Faymann (SP) von der Festspielbühne unters Dach verlegt. Wie stark wird derzeit interveniert?

Alexander Wrabetz: Der Chefredakteur und der Info-Direktor haben mir versichert, dass es nicht so war. Auch bei Vizekanzler Josef Pröll war klar: Wenn es regnet, gehen wir hinein.

Bei Faymann hat es aber nicht geregnet. Die Opposition monierte, das sei Ihr Dank an Faymann, der Sie nun wieder unterstützt?

Wrabetz: (schmunzelt) Das wird wohl in der Form niemand ernst nehmen . . .

Aber Sie haben den Eindruck, dass Sie an der ORF-Spitze wieder unterstützt werden?

Wrabetz: Der Grundkonsens, dass der ORF in seiner Gesamtheit erhalten werden soll, ist da. Regierung und Opposition, letztlich auch die anderen Medien sind sich darin einig. Der ORF soll als starker nationaler Player erhalten bleiben. Nur über den Weg dorthin gibt es unterschiedliche Auffassungen. Und angesichts der massiven Sparanstrengungen freue ich mich auch darüber, wenn mein Weg Unterstützung erfährt.

Ihre Amtsvorgängerin Monika Lindner hat zuletzt etwa gemeint, man sollte über einen werbefreien ORF – dann allerdings ohne ORF1 – zumindest nachdenken.

Wrabetz: Nachdenken darf man über alles. Tatsache ist aber, dass sich nun – nach einem Jahr intensiven Nachdenkens auf der EU- und auf nationaler Ebene, im Parlament und in der öffentlichen Diskussion – immer mehr abzeichnet: Es entwickelt sich für das nächste Jahrzehnt eine breit getragene Linie, bei der es bleibt. Ich bin sehr froh, dass die Regierung klar zwei TV-Programme erhalten will. Die Diskussion über eine Teilung des ORF wurde vor einem Jahr geführt, ist aber jetzt vom Tisch.

Braucht der ORF den ersten Kanal wirklich?

Wrabetz: Ja. Der umfassende Auftrag des ORF ist mit einem Kanal nicht erfüllbar. Bei aller Stärke, die die deutschen Öffentlich-Rechtlichen ARD und ZDF haben: Die Bevölkerung unter 50 Jahren wird dort mit je einem Kanal nur mehr in geringem Ausmaß erreicht.

Wann wäre der ORF zu klein?

Wrabetz: Der überwiegende Großteil der Bevölkerung muss regelmäßig eines der ORF-Angebote nützen, sonst sind die Leute irgendwann nicht bereit, Gebühren zu bezahlen. Zweitens müssen wir national Marktführer in den relevanten Zielgruppe sein. Unser Ziel ist aber auch, in Europa unter den Öffentlich-Rechtlichen zu den Top 5 beim Marktanteil zu gehören. Momentan sind wir abwechselnd auf Platz zwei und drei.

Ist Ihnen ORF1 öffentlich-rechtlich genug?

Wrabetz: Wir haben auf ORF1 180 Stunden Information pro Jahr, mit „ZiB24", „ZiB20", „ZiB Flashes". ORF1 steht als Info-Medium an dritter Stelle im Land – auch wenn es eingepackt ist in viel gute Unterhaltung.

Wie definieren Sie das Profil von ORF1?

Wrabetz: Das werde ich Montag im Publikumsrat darstellen. Der Kanal hat vier ganz wesentliche Aufgaben: Erstens ein eigenständiges Info-Profil und Sport in verschiedenen Disziplinen. Zweitens österreichisches Kabarett/Comedy/Satire. Drittens: Film und Serie aus eigener Produktion wie „Schnell ermittelt", „Lottosieger" und große Koproduktionen. Das Vierte ist die Show-Society-Unterhaltungsschiene, da wird Dominic Heinzl ein tägliches Format bekommen.

Sie haben Dominic Heinzl von ATV zurückgeholt, zeigen die Show „Der Mentalist" – das geht alles sehr stark in Richtung Privat-TV.


Wrabetz: Alles, was es im TV gibt, haben Öffentlich-Rechtliche erfunden – außer Pornos.

Es geht weniger darum, wer was erfunden hat, als um den Stil der Sendungen.

Wrabetz: Wir haben Prinzipien: z. B. dass wir die Menschenwürde nicht verletzen, nicht sexistisch sind, nicht ausgrenzen und keine Hetze betreiben. Ansonsten soll eine Show gut unterhalten und professionell gemacht sein – denn nur das Schild „Wir sind der Meinung, dass das öffentlich-rechtlich ist", interessiert das Publikum nicht.

Sind der neue Programmplaner Werner Taibon und Dominic Heinzl Ihnen unterstellt oder den Direktoren Lorenz und Oberhauser?

Wrabetz:
Die Programmplanung ist beiden Direktoren unterstellt, Heinzl dem Programmdirektor. Aber natürlich haben die großen Stars im ORF immer einen Zugang zum Generaldirektor. Heinzl wird redaktionell sehr eigenständig und unabhängig arbeiten.

Heinzl soll zwischen zwei und vier Mio. Euro im Jahr für seine neue Sendung bekommen.

Wrabetz: Das ist alles zu viel. Was die Kosten betrifft, wird seine Sendung im unteren Bereich üblicher Eigenproduktionskosten liegen, weil er günstig produziert.

Die Ergebnisse der ORF-Untersuchung durch die EU-Kommission wurden nun am Mittwoch im Großen und Ganzen bekannt – wird es für Sie etwas zu ändern geben?

Wrabetz:
Wichtig ist: Die Bedenken über unser Finanzierungssystem sind ausgeräumt und wir haben einen EU-konformen Rechtsrahmen, der ermöglicht, den ORF in seiner Gesamtheit zu erhalten. Das waren und sind Hauptanliegen meiner Geschäftsführung, für die wir hart arbeiten.

Online wird es aber Beschränkungen geben.

Wrabetz: Neue Angebote im digitalen Bereich dürfen wir machen, aber unter der Voraussetzung eines Public-Value-Tests. Der erste Anwendungsfall dieses Tests wäre aber wohl die Umwandlung von TW1 in einen öffentlich-rechtlichen Spartenkanal.

Gibt es Dinge, die nicht möglich sein werden?

Wrabetz: Wenn wir einen Kinderkanal machen würden, könnte es theoretisch Schwierigkeiten geben. Aber momentan ist das finanziell sowieso nicht möglich.

Die EU will die Eigenkapitalquote des ORF auf zehn Prozent beschränken.


Wrabetz: Die Frage ist, wie hoch dürfen die Gewinne sein, die man zur Wiederaufstockung des Kapitals verwendet - da scheint ein Mechanismus gefunden worden zu sein, der die Bedenken der EU ausräumt, dass nicht zu großen Gewinne gemacht würden.

Nämlich ein Durchrechnungszeitraum von acht bis zehn Jahre?

Wrabetz: Ja, es könnte in diese Richtung gehen. Aber konkret ist das noch nicht bekannt.

Nächste Woche findet im Parlament ein Enquete zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk statt. Für Sie erfreulich?

Wrabetz: Es zeigt, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk sehr ernst genommen wird, große Bedeutung hat – trotz aller Diskussionen. Uns war dabei der europäische Rahmen wichtig und dass die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des ORF außer Streit gestellt ist.

Aber die Unabhängigkeit des ORF steht ja sowieso schon im Gesetz.

Wrabetz: Ja, aber es ist wichtig, dass der Erhalt dessen, was den ORF ausmacht Priorität hat, dass das auch nach außen hin wahrgenommen wird - der ORF in seinem gesamten Auftrag und in seinem unteilbaren Angebot.

Ist das Handshake-Programm nicht auch ein Aderlass für den ORF?

Wrabetz: Wir müssen in den kommenden Jahren einen Generationswechsel bewältigen. Durch das Handshake-Programm gehen einige der ganz wichtigen Leute in Pension. Aber das war immer so und wird immer so sein – irgendwann ist das Ruhestandsalter eben da.

Wer ist so jemand Wichtiger, der geht?

Wrabetz: Eine Susanne Scholl ist jemand, der das Russland-Bild der Österreicher geprägt hat, im Radio ist etwa Ernest Hauer so eine markante Persönlichkeit. Gleichzeitig gibt es Cornelia Vospernik, Hanno Settele, ihnen muss man die Möglichkeit geben, in die erste Reihe zu treten. Wo sollte ich sonst Personal reduzieren? Bei den jungen Talenten oder bei jenen, die schon näher der Pension sind? Ich habe mich vernünftigerweise für letzteres entschieden.

Gibt es einen Personalwechsel bei den Direktoren? Sie haben ja zuletzt Kritik am Programmerfolg geübt.

Wrabetz: Ich habe für die Programmplanung Werner Taibon geholt. Ich glaube, es muss anders akzentuiert werden.

Was erwarten Sie sich von Ihrem Sparplan?

Wrabetz: Erstens die Zukunftssicherung des ORF: Ich muss im Auftrag des Stiftungsrats mit den Erlösen, die ich jetzt habe, das Auslangen finden. Bekanntlich sinken die auf Grund der Werbekrise und ich muss im nächsten Jahr – nach den Sparpaketen 2007 und 2008 – nochmals 80 Millionen Euro einsparen, um ohne Refundierung auf eine schwarzen Null zu kommen. In meiner Geschäftsführungsperiode werden wir dann bis Ende 2010 rund 200 Millionen Euro ausgabenseitig eingespart – das entspricht etwa 20 % der Gesamtausgaben – und auch den Personalstand um 12 % gesenkt haben. Zweitens geht es in der Folge der Abarbeitung unserer „Hausaufgaben" auch um die Frage der Refundierung der Gebührenbefreiung (rund 60 Millionen Euro, Anm.): Die Politik hat klar signalisiert, dass mit uns erst über die Refundierung gesprochen wird, wenn der ORF seine maximalen Sparanstrengungen eingeleitet und umgesetzt hat. Wir sind bereit.

Geht sich die vom Stiftungsrat geforderte schwarze Null 2010 aus?

Wrabetz: Sie muss sich ausgehen. Im Vergleich zur Situation vor sechs Monaten hat sich viel geändert: Es gibt einen klaren Auftrag des Stiftungsrats, eine klare Grundrichtung der Politik, von der EU abgesegnet, und wir haben das größte Sparprogramm durchgezogen. Jeder, der im pensionsreifen Alter ist, wird in Pension gehen. Die Zahl der Führungskräfte wird um 25 reduziert – von 100 auf 75: die straffste Struktur, die der ORF je hatte.

Die Redakteure haben unlängst in einem offenen Brief beklagt, die Spar-Entscheidungen würden von Leuten getroffen, die keine Ahnung haben.


Wrabetz: Im Wesentlichen werden die Entscheidungen von jenen Führungsebenen getroffen, die sehr wohl wissen, wie man mit schwierigen Situationen umgeht und die ihre Bereiche sehr gut kennen. Im Hörfunk zum Beispiel nehmen einige den Handshake an - die Chefredakteurin wird dort eine neue Struktur ausarbeiten - ich gehe davon aus, dass sie mir das Richtige vorschlägt. Ich habe auch den Ö1-Chef beauftragt, schlanker, straffer, kostengünstiger zu planen. Das Gleiche wird im Fernsehen passieren. Und ich in der Generaldirektion hatte acht Hauptabteilungen und werde nur mehr vier haben. Es gibt keine Alternative zu dem von mir eingeschlagenen Weg, wenn wir den ORF zukunftsfit aufstellen wollen. Und das werden wir auch ohne „wenn und aber" tun.

Wie laufen die Verhandlungen mit dem Betriebsrat?

Wrabetz: Das sind sehr harte, aber auch konstruktiv und ernst geführte Gespräche. Ich glaube, dass es im Haus den Mitarbeitern und ihren Vertretern immer klarer wird, dass es auch Eigenleistungen von Seiten der ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter geben muss – nicht zuletzt als Voraussetzung dafür, die Versprechen der Politik auch zu Recht einmahnen zu können.

An Sparplänen wurde einiges angekündigt, etwa die Ausgliederung des RSO, das Aus von Sport Plus, das Auslaufen des Film-Fernsehabkommens – und dann, nach Kritik der davon betroffenen Interessensgruppen, wieder zurückgezogen. Warum gehen Sie so vor?


Wrabetz: Man muss der Öffentlichkeit ja bewusstmachen, was man leistet. Und um unter neuen Voraussetzungen zu diskutieren: In welchem Ausmaß ist das fortsetzbar?

Welche Vorschläge habe Sie für die Nachnutzung des Standorts Küniglberg gesammelt?

Wrabetz: Sehr interessante Projekte. Es ist eine andere Nutzung des Küniglbergs möglich, es gibt Interesse. Und wenn schon Gustav Peichl, der Hauptverteidiger des Küniglbergs sagt, man könnte ein Drittel des Gebäudes wegreißen und als Wohnungen neu bauen . . .

Was ist die Auflage der Stadt Wien?

Wrabetz: Es ist ganz klar, das man nicht will, dass wir abziehen und hier eine Rundfunk-Ruine entsteht. Das Projekt muss städtebaulich sinnvoll sein – und für den ORF ökonomisch interessant.

Wie ist der Zeitplan?

Wrabetz: Kosten und Möglichkeiten eines neuen Standorts - samt ökonomischem Modell - müssen bis Jahresende vorliegen. Dann entscheidet der Stiftungsrat. Klar ist: Wir werden in Zukunft weniger Raum brauchen als jetzt, wir müssen uns den technologischen Entwicklungen anpassen, werden anders produzieren, Worksflows werden sich verändern, etc. Nehmen wir an, dass der Stiftungsrat die Entscheidung für einen neuen Standort fällt und wir gehen alle gemeinsam - TV, Radio, Online und wenn möglich auch die Filmstudios - an einen neuen Standort. In so einem Falle würde die Detailplanung ein, zwei Jahre dauern, die Bauphase zwei, drei Jahre – dann könnte der 1. 1. 2016 ein möglicher Inbetriebnahmetermin sein(schmunzelt).

Durch die Digitalisierung werden Frequenzen frei. Wird sie der ORF nutzen?

Wrabetz: Das ist zuerst einmal eine politische Entscheidung. Die Frequenzen gehören nicht uns. Wir könnten sie auch nicht verwerten. Wir weisen aber die gesamte TV-Branche darauf hin, dass man diese Frequenzen für den Rundfunk behalten und sie nicht an die Telkos vergeben sollte. Da geht es um die Verbesserung des störungsfreien Empfangs. In Zukunft werden neue digitale Ausstrahlungsformen dazu kommen und sich durchsetzen, die eine höhere Bandbreiten brauchen – Stichwort High Definition (HD).

Zuletzt war wieder vermehrt zu hören, Richard Grasl, NÖ-Chefredakteur und Wunsch-Kandidat von Erwin Pröll, wird auf einen hohen Posten – Chefredakteur oder Direktor – auf den Küniglberg wechseln . . .

Wrabetz: Zu Personalspekulationen äußere ich mich nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2009)

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