„Kroatien-Beitritt bringt ganz konkrete Vorteile für uns“

Minister Spindelegger drängt auf ehestmögliche Aufnahme 2011.

„Die Presse“: Slowenien gibt seine Blockade gegenüber Kroatien auf, der Grenzstreit behindert die EU-Verhandlungen nicht mehr. Wie schnell kann es jetzt damit gehen?
Michael Spindelegger: Die Bahn ist frei, die Verhandlungen sehr rasch fortzusetzen. Ich erwarte, dass bald eine Regierungskonferenz stattfindet, mit der man die nächsten Verhandlungskapitel öffnet und jene schließt, die bereits gut verhandelt wurden. Ich dränge darauf, dass wir jetzt die verlorene Zeit aufholen. Ich erwarte, dass die Verhandlungen noch im September wieder aufgenommen werden.


Welche Punkte sehen Sie noch kritisch?
Spindelegger: Wie bei jedem Beitritt wird es noch um spezielle Regelungen und Übergangsfristen gehen. Insgesamt sehe ich die Verhandlungen aber auf gutem Weg.


Auch bei der Justiz? Da soll Kroatien noch nicht so weit sein. Teilen Sie diese Kritik?
Spindelegger: Das muss man differenziert sehen. Natürlich müssen die EU-Vorschriften eingehalten werden. Bei der Justiz wird Kroatien seine Reformanstrengungen verstärken müssen, damit wir auf einen grünen Zweig kommen. Ich sehe aber keine grundsätzlichen Hindernisse.


Wie schnell kann es mit dem Beitritt gehen?
Spindelegger: Mit der Deblockierung ist der Knoten aufgegangen. Jetzt könnte es sehr rasch gehen. Ein Abschluss der Verhandlungen bis Mitte 2010 wäre denkbar. Danach braucht es die Ratifizierungen in Kroatien und aller EU-Staaten. Und bis dorthin müssten, wie am Freitag vereinbart, auch substanzielle Fortschritte in der Grenzfrage zwischen Kroatien und Slowenien erzielt werden. Das Jahr 2011 wäre aus meiner Sicht dann der frühestmögliche Zeitpunkt für einen Beitritt.


Sehen Sie eine Behinderung des Prozesses, solange der Vertrag von Lissabon nicht gilt?
Spindelegger: Nein, das steht auf einem anderen Blatt. Nach dem 2. Oktober werden wir bereits wissen, ob die Iren Ja sagen und der Vertrag in Kraft treten kann.


Und wenn nicht? Käme Kroatien auch ohne den Reformvertrag zur EU?
Spindelegger: Für uns besteht kein Zusammenhang zwischen Vertrag und Beitritt. Kroatien ist gut vorangekommen und eine Lokomotive für den Westbalkan. Auch wenn der Weg noch lang ist, steht die Beitrittsperspektive für den gesamten Westbalkan offen. Schließt Kroatien den Prozess bald ab, ist das eine starke Ermutigung für die anderen.


Wird Kroatien das 28. Mitglied oder kommt ihm Island im Schnellverfahren zuvor?
Spindelegger: Ich würde mir ein Miteinander wünschen. Wobei die Stimmung in Island noch schwankt, auch bei der Fischerei oder dem Walfang gibt es noch offene Fragen.


Welche Vorteile sehen Sie durch einen Beitritt Kroatiens für Österreich?
Spindelegger: Kroatien ist für uns ein enger Partner und Nachbar, auch wirtschaftlich. Für Österreicher ist es zudem ein beliebtes Urlaubsland. Die Perspektive einer künftigen gemeinsamen Währung und eines Beitritts zur Schengenzone brächten weitere Erleichterungen. Das sind ganz konkrete Vorteile für uns.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2009)

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