Duzdar: "Wir setzen schon vor dem Asylbescheid an"

Muna Duzdar
Muna Duzdar(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Staatssekretärin Muna Duzdar will die Notverordnung nur umsetzen, wenn es ein Abkommen mit Ungarn gibt. Künftig soll es 500 neue Integrationsmitarbeiter beim AMS geben.

Die Presse: Sie waren bisher skeptisch gegenüber der Notverordnung, durch die Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden können. In einem SPÖ-Papier bekennen Sie sich nun dazu.

Muna Duzdar: Diese Verordnung geht zuerst in Begutachtung. Das ist ein seriöses Prüfverfahren, bei dem man offene Fragen klären kann.

Stehen Sie hinter den Plänen?

Ich sehe in der Begutachtung die Möglichkeit, dass die Zivilgesellschaft und NGOs kritische Punkte auf den Tisch legen.

Es wirkt so, als sollten die NGOs jetzt Druck auf die ÖVP ausüben, die ja diese Notverordnung rasch umsetzen will.

Ich bin einfach der Meinung, dass alle die Möglichkeit haben sollen, Stellung zu beziehen.

Welche Stellung beziehen Sie?

Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Verordnung in der Praxis funktionieren kann. Diese Fragen sollen durch die Begutachtung geklärt werden.

Eine dieser Fragen ist, ob Ungarn Flüchtlinge zurücknimmt.

Genau. Deswegen braucht es ein Abkommen mit Ungarn.

Das Innenministerium will die Verordnung im Ernstfall auch dann umsetzen, wenn es kein Abkommen mit Ungarn gibt. Sehen Sie das genauso?

Die Notverordnung kann nur funktionieren, wenn es ein Abkommen mit Ungarn gibt. Man muss abklären, was mit den abgewiesenen Flüchtlingen passiert.

Die SPÖ will nun ein Integrationsjahr einführen – unter anderem mit monatelangen Deutschkursen. Wie praxistauglich ist aber dieser Vorschlag? Wie viel soll es kosten?

In Österreich war es lange Zeit so, dass es Integrationsangebote nur für anerkannte Flüchtlinge gab. Die Asylverfahren dauern aber jetzt mitunter Jahre, in denen die Menschen nicht arbeiten oder die Sprache lernen können. Das ist ein Problem für die Menschen, aber auch für die Gesellschaft. Das wollen wir jetzt ändern. Asylwerber sollen auch im Rahmen von Dienstleistungsschecks arbeiten können, also kleine Tätigkeiten bis zur Geringfügigkeitsgrenze.

Kurz zurück zu den Deutschkursen: Wie viele neue Plätze werden konkret geschaffen – und wie viel Geld wird dafür in die Hand genommen?

Die Regierung hat sich schon auf ein Sprachpaket geeinigt, das 50 Millionen Euro für Sprachkurse vorsieht – für Asylberechtigte und Asylwerber, die eine hohe Chance auf einen positiven Bescheid haben. Aber beim Integrationsjahr geht es um ein Programm, das den Menschen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bieten soll. Durch Sprachkurse, Kompetenzchecks, Arbeitstrainings.

Aber kann man es auch praktisch umsetzen? Schon jetzt müssen Menschen ehrenamtlich Deutsch unterrichten, weil es teilweise an Kursen mangelt.

Wir werden mehr Geld in die Hand nehmen, das wird passieren. Außerdem soll es 500 neue Integrationsberater beim AMS geben. Sie sollen Asylberechtigten zur Seite stehen – auch Asylwerbern, die eine hohe Chance auf Asyl haben.

Wie hoch wird der Betreuungsschlüssel der Mitarbeiter sein?

Es ist ja schon so, dass AMS-Mitarbeiter Flüchtlinge betreuen. Jetzt geht es um eine Aufstockung.

Sie galten als Kritikerin von Ex-Kanzler Werner Faymann und seiner Asyllinie. Wirklich geändert hat sich die Politik unter Christian Kern allerdings nicht.

Ich maße mir nicht an, das zu beurteilen. Wir können stolz darauf sein, was Österreich im Jahr 2015 geleistet hat. Man hat auch von Anfang an erkannt, dass es Sprachkurse braucht. Wir bauen es aus.

Also eigentlich ist die Linie, von Faymann zu Kern, konsequent.

Im Vorjahr war man eher mit der Unterbringung und Versorgung beschäftigt. Jetzt setzen wir die Integrationsmaßnahmen in die Realität um und geben dem ganzen ein Konzept. Denn es gilt, einen Systembruch aufzulösen: Wir setzen schon vor dem Asylbescheid an.

Hat es die SPÖ verabsäumt, das Thema Integration zu besetzen, und der ÖVP überlassen?

Das Konzept für das Integrationsjahr ist das Gegenteil davon.

Aber hat man das Thema zu lange anderen Parteien überlassen?

Ich finde es wichtig, das Thema anzusprechen. Jetzt hat es natürlich an Brisanz gewonnen. Man soll aber nicht erst darüber reden, wenn es Probleme gibt.

Man könnte ja zugeben, es versäumt zu haben, und sagen: Wir bemühen uns jetzt aufzuholen.

Ich sage es so: Wir machen es jetzt noch mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2016)

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