ATV-Eigentümer Herbert Kloiber: Der Herr der Filme

(c) AP
  • Drucken

Illegale Downloads? "Das ist Schwund, mit dem man rechnen muss – wie Louis Vuitton mit gefälschten Taschen." ATV-Eigentümer Herbert Kloiber über Filmhandel, Popcorn im Kino und den ungeschickten ORF.

Waren Sie auf der Unterhaltungselektronik-Messe IFA in Berlin?

Herbert Kloiber: Nein. Flachbildfernseher gibt's heute auch im Supermarkt. Und was dort präsentiert wird – 3D-Technik oder High Definition –, sehen wir als Kinobetreiber erste Reihe fußfrei schon zwei Jahre zuvor, meist in Las Vegas. Ich muss schauen, dass ich da bin, wo ich was verkaufe – also im Oktober auf der TV-Messe in Cannes. Wir fangen derzeit an, „Moby Dick“ als Zweiteiler neu zu verfilmen, da zeigen wir in Cannes erste Bilder, um Vorverkäufe zu tätigen.

Sind Sie zur Parlamentsenquete über den ORF eingeladen?

Nein. Ich habe nach 20 Jahren dualer Rundfunkdiskussion meine geschätzten Wortbeiträge schon geleistet. Ich erinnere mich noch an die Verdammung des Privat-TV durch Andreas Khol – furchtbare Stunden. Aber jetzt geht es eher um die Diskussion zwischen Verlegern und ORF bezüglich Online.

Ist die Diskussion für Sie abgeschlossen?

Der ORF hat Seiten, die weit über das Maß hinausgehen, das tolerabel ist. ORF1 ist ein Schandfleck unter Europas Öffentlich-Rechtlichen. Da findet im Sinne des Public Value gar nichts mehr statt – die Nachrichten sind auch nur der Abfall der „ZiB“ um 19.30 Uhr.

Profitiert ATV vom ORF-Quotenverlust?

Ja. Wir sind auf einem guten Weg, auf jene 7,5 Prozent Marktanteil bei den 12- bis 49-Jährigen zu kommen, die wir brauchen, um zu verdienen. Der ORF ist ein schlingernder Tanker. Vielleicht stabilisiert er sich bei einem Marktanteil von 25 bis 30 Prozent. Ein ORF, der seine Pflicht täte, wäre wichtig. Das zweite Programm sollte im Bildungs- und Kulturauftrag geschärft werden. Dazu ein sauberes drittes Programm – werbefrei, anstatt dem ersten.

Dominic Heinzl wird ab 2010 wieder für den ORF arbeiten.

Heinzls Quote bei ATV ist eher gesunken als gewachsen. Und wir können auch nicht sieben Tage die Woche in einem Fischteich fischen, in dem die Fische alle gestorben sind. Bei jeder Schuhgeschäft-Eröffnung und der Air-Show in Budapest dabei zu sein – das hat mit Promis nichts zu tun.

ATV will sich vermehrt der Information widmen. Ist das nicht ein Anachronismus?

Ein gutes Newsformat vor der Wahl brachte uns 400.000 Zuschauer, „Hi Society“ brachte 200.000. Ich bin bei Ronald Lauders CME im Aufsichtsrat, die betreiben Privat-TV-Sender in vielen Ländern: Die Offensive der Privaten gegen die Öffentlich-Rechtlichen ist immer im Newsbereich geglückt.

Wie sehen Sie die ORF-Sparwelle?

Die hat sich gerade darin manifestiert, dass man die Champions League gekauft hat, drei Tage bevor klar wird, dass Österreich nicht mitspielt. Dafür hat der ORF kein Geld, einen Übertragungswagen vorzufahren, wenn Ioan Holender seine Abschiedsvorstellung gibt. Ich habe schon zu ORF-Chef Alexander Wrabetz gesagt: Wenn er das nicht macht, werden wir es machen. Dann haben wir eine schlechte Quote und er eine schlechte Nachrede.

Wie trifft die Werbeflaute ATV?

2009 werden wir mehr Netto-Einnahmen haben als 2008 – sowohl aus Werbung als auch insgesamt: Etwa fünf, sechs Millionen kommen von Homeshoppern etc. Netto hat ATV in den ersten acht Monaten mindestens 2,5 Millionen Euro mehr eingenommen als im Vorjahr – wie viel insgesamt, möchte ich nicht sagen.

Sind fünf Millionen Euro Medienförderung, die die Regierung den Privatsendern geben will, nicht zum Sterben zu viel, zum Leben aber zu wenig?

Ehrlich gesagt: Ja. Aber besser als nichts. Wenn wir 25 oder 30 Prozent Kostenzuschuss bekommen, könnten wir fiktionales Programm probieren: Während „Bauer sucht Frau“ 80.000 Euro kostet, kostet Fiktion 250.000 bis 300.000 Euro. Wenn das möglich wird, erzeugt das einen guten Umsatz für die Filmwirtschaft – und es wird ein Vielfaches der fünf Millionen Euro in den Staatshaushalt zurückfließen.

Wie läuft das Geschäft mit den Kinoketten?

Wir haben etwas bessere Kinopreise durchsetzen können, hatten 2009 ein Umsatzplus von 17 Prozent in Deutschland bei fünf Prozent mehr Besuchern und mehr Nebeneinnahmen. Für Popcorn und Cola werden heute im Schnitt 2 Euro 5 Cent ausgegeben – und wir hatten 2008 in Deutschland 128 Millionen Kinobesucher, heuer werden es bis zu 145 Millionen sein.


Rechnet sich das Geschäft mit DVDs trotz illegaler Downloads?

Wir waren mit der DVD von „Twilight“ zwölf Wochen lang die Nummer eins in Deutschland. Das gab's noch nie. Auch im DVD-Geschäft haben wir ein Plus. Und jetzt ist endlich auch Blu-Ray angesprungen. Illegale Downloads sind natürlich ein Problem, vor allem für die Studios. Aber das ist ein gewisser Schwund, mit dem man rechnen muss, so wie Louis Vuitton durch die gefälschten Taschen.

Wo verdienen Sie am meisten?

Zirka ein Drittel unseres Geschäfts ist der Filmhandel. Wir haben „Harry Potter“, „Herr der Ringe“, „Reich und Schön“, und unsere Neuverfilmung von „Der Seewolf“ mit Sebastian Koch läuft am 1. November im ORF. Das macht 180 bis 200 Millionen Umsatz im Jahr. Von der Kinosparte mit Cinemaxx kommt ab sofort auch etwa so viel. Weitere 55 Millionen Euro stammen von Dienstleistungen der Cinemedia AG. Der Rest sind Produktionen, Programmvertrieb, Kino- und Videoverleih.

Gibt es neue Geschäftsfelder in der Verwertungskette?

Wir bauen für die Telekom Austria aon.TV, in einem Joint-Venture mit der On Demand Group. Da gibt es zwei-, dreitausend Titel auf Festplattenspeicher, die der Kunde abrufen kann. Derzeit kann man Filme oder Sendungen wie „Bauer sucht Frau“ ab der TV-Ausstrahlung anschauen, künftig soll das schon vorab gehen. Wir haben im Jänner mit 22.000 On-Demand-Kunden begonnen, heute sind es bereits 84.000. Dieser Bereich wird weiter wachsen.

Klassik und Kino

Herbert Kloiber ist geborener Wiener (*1947), Jurist und seit den 70ern Medienunternehmer (Tele München, TMG). Er ist u. a. an RTL2 beteiligt; ATV gehört ihm zu 99,7%. Dort initiierte der Klassikfan eine Kultursendung.An der Kinokette Cinemaxx, Deutschlands größtem Filmtheater-Konzern, hält Kloiber seit August ca. 69%. Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Medien

ORF-Enquete: "Hollywood raus, Österreich rein"

Konkrete Hinweise auf das neue ORF-Gesetz gab es bei der parlamentarischen Enquete keine. Stattdessen wurde über Qualität, Gebühren und Privatisierungs-Fantasien diskutiert.
Silvia Saringer
TV-Notiz

Am Punkt (ATV): "Krise kannte er nur aus Beziehungen"

Als jung, frisch und scharf wird das neue Diskussionformat auf ATV mit Moderatorin Sylvia Saringer angekündigt. Die hektische Stehpartie war zwischendurch unfreiwillig komisch.
Medien

ORF: Der österreichische Patient

Eine Grundsatzdebatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist zu führen. Die neuralgischen Punkte: Quotenverlust, Finanzmisere, Entscheidungsschwächen.
New Articles

Diskutieren Sie mit: Ist der ORF noch zu retten?

Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk steckt in der Krise: Mit nur 34 Prozent Marktanteil war der Juli der schwächste Sendemonat, Werbeumsätze brechen weg, die Streichung von Stellen zeigt noch keinen Spareffekt. Gibt es noch Rettung?
Artikel zum Thema finden Sie hier.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.