Bauchtanz: Tanz der Weiblichkeit

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Er macht nicht nur fit und gute Figur. Angeblich kann Bauchtanz sogar Leiden lindern. Mit ein Grund, warum auch Männer den alten Fruchtbarkeitstanz betreiben.

Bauchtanzen tut einfach gut. Man hat automatisch eine stolze Haltung, ein anderes Körperbewusstsein und dadurch mehr Selbstvertrauen.“ Davon ist Marianne Gruber überzeugt und sie muss es wissen, immerhin befasst sich die „Grande Dame des Orientalischen Tanzes“ – wie sie sich selbst nennt – seit rund 17 Jahren mit dem Bauchtanz.

„Ich hatte starke Rückenschmerzen und einen zweifachen Bandscheibenvorfall. Über meine Wirbelsäulengymnastiklehrerin bin ich dann zum Bauchtanz gekommen. Das hat geholfen und wirklich Spaß gemacht“, erzählt die rundliche Waldviertlerin, die mittlerweile selbst unterrichtet und ein Geschäft für Bauchtanzbekleidung in Wien betreibt. Inmitten von glitzernden Kostümen, bunten Schleiern und orientalischem Schmuck kommt die 53-Jährige im „Bellissima“ gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.


Stichwort „Weiblichkeit“. Wenn Gruber spricht, fällt immer wieder das Wort „Weiblichkeit“. „Durch den Beruf sind viele Frauen sehr männlich. Wir reden wie Männer, arbeiten und kleiden uns wie sie.“ Doch viele Frauen, meint sie, würden ihre Weiblichkeit zurückhaben wollen – „und sie finden sie im Bauchtanz wieder“. Eine ihrer Schülerinnen sieht das ähnlich: „Das Besondere am Bauchtanz ist für mich, dass ich mich erde. Ich mache das nur für mich und setze mich intensiv mit meinem Körper auseinander“, sagt Barbara S., die ihren ganzen Namen lieber für sich behält. „Ich bin Unternehmerin. Es gibt leider immer noch Menschen, die das falsch verstehen – und Männer, die damit Haremsfantasien verbinden“, begründet sie diese Entscheidung.

Vielleicht besteht auch deshalb Marianne Gruber darauf, dass der Bauchtanz eigentlich „Orientalischer Tanz“ oder „Raqs Sharqi“ heißt. Das bedeutet so viel wie „Tanz aus dem Osten“. Seinen Ursprung hat der Bauchtanz in Fruchtbarkeitstänzen aus den arabischsprachigen Ländern. Der Glamour und die bunten Kostüme kamen erst in den 1930er- und 40er-Jahren auf Hollywoods Showbühnen dazu. In den 60er-Jahren schwappte schließlich ein regelrechter Bauchtanzboom über den großen Teich nach Europa. Gleichzeitig machte Mahmoud Reda, der als Meister des Orientalischen Tanzes gilt, den Tanz in Ägypten showbühnentauglich.


Endlich schwanger. Seine ursprüngliche Bedeutung hat sich der Bauchtanz anscheinend bewahrt – das meinen zumindest einige Tänzerinnen. Barbara S. ist etwa überzeugt davon, dass der Tanz geholfen hat, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. „Ich habe mit dem Bauchtanzen begonnen, um Stress abzubauen. Drei bis sechs Monate später hat sich die gewünschte Wirkung eingestellt. Und ich hatte keine Regelschmerzen mehr. Nach einem Dreivierteljahr tanzen bin ich schwanger geworden.“ Nachdem sie und ihr Mann vorher sechs Jahre gewartet hatten, erzählt die heute 43-Jährige.

Aus medizinischer Sicht gibt es dafür allerdings keine Beweise. Und trotzdem – der Tanz wird gerne von Ärzten empfohlen. Vor allem bei Rückenproblemen soll er eine heilende Wirkung haben. Szilvia Csanyi-Grafelmann, Fachärztin für Gynäkologie und Frauenheilkunde, meint: „Der Bauchtanz ist in erster Linie gut für die Lendenwirbelsäule und stärkt die Muskeln. Auch bei Menstruationsbeschwerden kann Bauchtanzen helfen. Es ist nachgewiesen, dass Bewegung – egal welche – bei Krämpfen, die sich am Anfang der Menstruation einstellen, hilft.“


Kein Wunderheilmittel. Neslihan Celebi, die seit neun Jahren in Graz Bauchtanz unterrichtet und auch bei diversen Festen auftritt, sieht das ein bisschen skeptischer. „Bauchtanzen macht Spaß und ist wirklich toll, es ist aber kein Wunderheilmittel“, sagt die gebürtige Türkin, die auch als Krankenschwester arbeitet, Medizin studiert und Wirbelsäulen- sowie Beckenbodentraining anbietet. Sie verweist auch auf andere Sportarten und Bewegungsformen, wie etwa Yoga, die ebenfalls gut für den Körper sind.

Dass der Bauchtanz eine positive Wirkung auf die Wirbelsäule hat, kann sie jedoch bestätigen: „Allerdings muss man aufpassen, dass man es richtig macht, sonst können Rückenschmerzen durch den Bauchtanz entstehen.“ Sie empfiehlt, mehrere Schnupperstunden zu besuchen, um dann zu entscheiden, welche Lehrerin die richtige ist. Bei der Wahl sollte man auch „auf sein Bauchgefühl hören“, denn ein Zertifikat, das Lehrern ihre Kompetenz für den Unterricht bescheinigt, gibt es nicht. Celebi, die schon mit fünf Jahren ihre Hüften zu orientalischer Musik schwang und mit dem Tanz aufgewachsen ist, schätzt am Bauchtanz, dass „jeglicher Konkurrenzkampf unter den Frauen wegfällt und es einen Energieaustausch gibt. Frauen vergessen sich selbst und es ist ihnen auch egal, wenn sie ein Bäuchlein haben oder dicke Oberschenkel“. Sie meint, dass es sogar möglich sei, sich in Trance zu tanzen – wenn man den Tanz ausreichend gut beherrscht.


Bauchtanz für Männer. Auch wenn bei Bauchtänzerinnen häufig das Wort „Weiblichkeit“ fällt – auch so mancher Mann hat den Tanz mittlerweile für sich entdeckt. „Bei Männern ist das eher ein folkloristisch angehauchter Tanz, bei dem bestimmte Bewegungen nicht vorkommen. Beckenkippen und Hüftkreisen werden aber genauso gemacht“, sagt Neslihan Celebi. Sie bietet auch Kurse für Männer an – und ist damit eher die Ausnahme. Vor allem Salsatänzer finden sich unter ihren Schülern. „Männer sind da noch sehr skeptisch, haben Angst, dass das nicht männlich ist, und sehen das eher als Jux“, sagt sie. Eine Begründung, die ihr allerdings nicht richtig erscheint: „Ich finde, das sieht sehr wohl männlich aus. Und es ist sogar sexy.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2009)

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