Die AfD überholt die Union und stürzt Angela Merkel in die Krise

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel
Deutschlands Kanzlerin Angela MerkelAPA/AFP/JOHANNES EISELE
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Die SPD bleibt bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern stärkste Partei vor den Rechtspopulisten und weiß nun nicht, ob sie mit der CDU weitermachen soll. Der innerparteiliche Druck auf die Kanzlerin wird steigen.

Berlin/Schwerin. Vielleicht hatte sie es kommen sehen, vielleicht auch nur befürchtet, ganz sicher aber hat Angela Merkel bis zuletzt gehofft, dass das Worst-Case-Szenario nicht eintritt. Doch dieser Wunsch blieb unerfüllt: Ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern, jenem Bundesland, in dem die deutsche Kanzlerin ihren Wahlkreis hat, ist die Union bei der Landtagswahl am Sonntag hinter die AfD zurückgefallen. Die letzte Hochrechnung sah die CDU bei 19 und die Rechtspopulisten bei 20,8 Prozent.

Die SPD um Ministerpräsident Erwin Sellering verteidigte Platz eins relativ deutlich mit 30,6 Prozent. Das sind zwar fünf Prozentpunkte weniger als beim letzten Mal (2011), aber deutlich mehr als die Umfragen den Sozialdemokraten prognostiziert haben. Die Linkspartei stürzte auf 13,2 Prozent, ihr bisher schlechtestes Ergebnis, ab. Die Grünen mussten bis zuletzt um ihren Verbleib im Landesparlament zittern (mit 4,8 Prozent schafften sie es nicht), während die rechtsextreme NPD dieses Mal an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Die Liberalen (FDP) schafften es erneut nicht.

Anders gesagt: Mit der AfD gab es am Sonntag nur einen Wahlsieger, aber viele Verlierer. Die rot-schwarze Landesregierung hätte beinahe ihre gemeinsame Mehrheit verloren – aus Gründen, die ihr noch immer nicht ganz klar sind. Wie konnte es sein, dass in einem Land, in dem es kaum Flüchtlinge gibt und der Ausländeranteil unter vier Prozent liegt, die Asylpolitik zum bestimmenden und möglicherweise wahlentscheidenden Thema wird?

Bedeutet das, dass Angela Merkel mit ihrem liberalen Kurs die Verantwortung für das Wahlergebnis der Union trägt?
Die Konkurrenz musste am Sonntag nicht lange nachdenken. Endlich gibt es etwas, das die lange Zeit souveräne Kanzlerin angreifbar macht. Die SPD sprach genüsslich von einer „schweren Niederlage für Merkel“, die AfD von „einer Klatsche“.

In der Union wiederum war Innenminister Thomas de Maizière noch vor der Wahl ausgeschickt worden, um die Kanzlerin von jeglicher Mitschuld freizusprechen. Er sehe keinen Zusammenhang zwischen Merkels Asylpolitik und dem Aufstieg der AfD, sagte de Maizière der „Welt am Sonntag“. Nicht die Flüchtlingskrise sei die Ursache, sondern das Unbehagen mancher Menschen mit der Globalisierung und der Moderne.

Jedenfalls wird der Druck auf Merkel weiter steigen – ausgehend von der bayrischen Schwesternpartei CSU, die von der Kanzlerin eine Kehrtwende verlangt. Nur dann will man sie bei der Bundestagswahl 2017 unterstützen. Allerdings hat Merkel offengelassen, ob sie sich um eine vierte Periode bewerben wird. Möglicherweise pokert sie, um CSU-Chef Horst Seehofer unter Druck zu setzen. Denn die Kanzlerin weiß, dass es in der Union derzeit keine adäquate Alternative zur ihr gibt. Die Entscheidung dürfte beim CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen fallen.

Rot-Schwarz oder Rot-Rot-Grün

Und wie geht es in Mecklenburg-Vorpommern weiter? SPD und CDU haben zwar weiterhin eine Mehrheit, aber Ministerpräsident Sellering ist unentschlossen, ob er mit der Union weitermachen soll. Alternativen gibt es kaum. Mit der AfD will die SPD nicht, mit der Linkspartei geht es sich nicht aus. Bleibt also nur noch Rot-Rot-Grün – sofern es die Grünen schaffen. Aber in einem Dreierbündnis wird das Regieren vermutlich nicht leichter.

So blieb den Wahlverlierern am Sonntag nur ein schwacher Trost: Die AfD ist in Schwerin nicht ganz so stark wie in Sachsen-Anhalt. Dort hat im März fast jeder Vierte blau gewählt. Und: Die NPD ist künftig nicht mehr dabei. Allerdings glauben nicht wenige, dass sie in der AfD aufgehen wird. Zuletzt sind die Grenzen zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremen verschwommen. Mecklenburg-Vorpommern ist mittlerweile das neunte Bundesland mit AfD-Beteiligung im Parlament. Nummer zehn folgt wohl in zwei Wochen. Dann wählt Berlin.

AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm (re.)
AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm (re.)REUTERS

(Print-Ausgabe, 05.09.2016)

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