Österreich, das Land der Mieter

(c) Clemens Fabry
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Der Anteil der Haushalte, die nur zur Miete leben, ist in Österreich höher als in den meisten anderen EU-Ländern. Das bedeutet nicht unbedingt etwas Schlechtes.

Wien. In kaum einem anderen EU-Staat haben sich die Kaufpreise für Wohnimmobilien in den vergangenen fünf Jahren so stark verteuert wie in Österreich, und zwar um 30 Prozent. Doch müssen österreichische Haushalte mit 18,3 Prozent noch immer einen geringeren Anteil ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Wohnen, Wasser und Energie aufwenden als der durchschnittliche EU-Haushalt (22,6 Prozent). Das geht aus den zahlreichen Daten hervor, die Wolfgang Amann und Klaus Lugger für das „Österreichische Wohnhandbuch 2016“ zusammengetragen haben. Das Buch wird alle drei Jahre neu aufgelegt und wurde vergangene Woche in der achten Auflage präsentiert.

Mehr Platz pro Person

Auch der Anteil des Wohnungsaufwands am privaten Konsum ist zwischen 1995 und 2014 gestiegen, in Österreich von 19 auf 22 Prozent. Damit liegt das Land im Trend: EU-weit stieg der Wert von 20,6 auf 24,4 Prozent. Dass die Haushalte einen größeren Anteil ihrer Ausgaben für das Wohnen bestreiten, ist nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. In reifen Volkswirtschaften verlieren andere Bereiche wie Nahrung oder Bekleidung relativ an Bedeutung, erklärte Amann, geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Immobilien Bauen und Wohnen (iibw). Dafür müssen die Menschen anteilsmäßig weniger aufwenden als vor 20 Jahren. Mit dem Geld, das sie auf diese Weise sparen, konsumieren sie mehr Wohnfläche. Hatte eine durchschnittliche Hauptwohnsitzwohnung Anfang der Siebzigerjahre 66 Quadratmeter, so waren es Anfang der Neunziger 85 und zuletzt 99,7 Quadratmeter. Auch die Wohnfläche, die jede einzelne Person im Schnitt für sich beansprucht, ist gestiegen, und zwar von 22,9 Quadratmetern (1971) über 32,7 Quadratmeter (1991) auf zuletzt 44,7 Quadratmeter.

Dass die Preise in den vergangenen Jahren so stark angezogen haben, hat freilich auch andere Ursachen: die niedrigen Zinsen und den starken Zuzug in die Ballungszentren. Die Experten erklären das mit der verhaltenen Neubautätigkeit in Relation zum Bevölkerungswachstum. Zwar liegt Österreich mit einer Wohnbauquote (fertiggestellte Wohnungen pro 1000 Einwohner) von 5,4 weiter über dem europäischen Schnitt von 3,3. „Zum Teil geht der Neubau aber in eine problematische Richtung, es wird zu groß und zu stark außerhalb gebaut“, meint Amann. Mit der Ressource Landschaft werde dabei nicht verantwortungsvoll umgegangen. Trotzdem: Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen, die 2010 auf einem Tiefpunkt von 41.900 angelangt ist, ist wieder im Steigen begriffen. Heuer dürfte sie bei 59.200 liegen.

Was Österreich ebenfalls von den meisten anderen europäischen Ländern unterscheidet, ist die relativ geringe Eigentumsquote. So wohnen EU-weit 70 Prozent der Haushalte in ihren eigenen vier Wänden (Häuser oder Eigentumswohnungen), in Österreich sind es nur 57 Prozent. Lediglich in Deutschland ist die Eigentumsquote innerhalb der EU mit 53 Prozent noch geringer. In der Schweiz liegt sie gar bei nur 45 Prozent, der Rest lebt zur Miete. Auch das bedeutet nichts Schlechtes. Amann verweist auf die „Koinzidenz zwischen niedriger Eigentumsquote und wirtschaftlichem Entwicklungsstand“.

Eine hohe Mieterquote bedeutet, dass es für alle Bevölkerungsschichten hochwertige Wohnversorgung gibt – und nicht nur für jene, die sich Eigentum leisten können. Ein geringes Angebot an Mietwohnungen wiederum hat zur Folge, dass sich auch Menschen mit kleinem Einkommen Eigentum leisten müssen – und dann in Wohnungen mit schlechter Qualität leben oder mit hohen Kreditraten zu kämpfen haben.

Neumieter zahlen mehr

Die Mieten in Österreich sind zwischen Anfang der Neunziger- und Mitte der 2000er-Jahre ähnlich der Inflationsrate gestiegen, teilweise darunter. Danach gab es einen Schub, vor allem in Salzburg, Innsbruck und Wien. Ab 2013 hat sich der Trend wieder abgeflacht. Indes zeichnet sich eine Zweiteilung ab: Während man in Wien, Tirol, Vorarlberg und Salzburg auf dem freien Markt um die neun Euro netto pro Monat hinlegen muss, wenn man jetzt eine Wohnung neu mietet, liegen die anderen Bundesländer unter dem bundesweiten Schnitt von zuletzt 7,5 Euro netto.

Doch beziehen sich die Zahlen nur auf Neuvermietungen auf dem freien Markt. Im Schnitt lag 2015 der Wohnungsaufwand (inklusive Betriebskosten) der österreichischen Mieterhaushalte bei 7,14 Euro pro Quadratmeter – etwas höher als 2014. Alle Haushalte (inklusive Eigentümer) zahlten durchschnittlich 5,2 Euro. Dieser Wert ist gegenüber 2014 leicht gesunken, vor allem wegen der geringeren Finanzierungskosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2016)

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