Parteichef Kern kündigt weitere SPÖ-Mitgliederbefragungen an. Im Herbst will er ein neues Steuermodell vorstellen. Die Eckpunkte, wie "Die Presse" erfuhr: neue Vermögensteuern, höhere Ökosteuern.
Wien. Bundeskanzler Christian Kern will in Zukunft anders und in neuen Formaten kommunizieren. Eines dieser Formate fand am Wochenende statt. Kern lud Chefredakteure österreichischer Medien zu einem Dialog ins Kanzleramt, der mit einem Monolog und zahlreichen Ankündigungen des SPÖ-Chefs begann. Zentraler Punkt unter anderen: Kern will in wenigen Wochen in einer Grundsatzrede das neue SPÖ-Steuermodell vorstellen, das auf Ideen und Studien des früheren Chefs des Wirtschaftsforschungsinstituts Karl Aiginger basieren soll.
Kernpunkte dieses noch unter Verschluss gehaltenen Modells laut „Presse“-Informationen: eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten – vor allem bei kleinen und mittleren Löhne –, eine generell deutliche Reduktion aller Lohnsteuern und zur Gegenfinanzierung die Erhöhung und Neueinführung bestimmter Steuern. Neben der von Kern ins Spiel gebrachten sogenannten Maschinensteuer (einer zusätzlichen Besteuerung von Gewinnen, Zinsen, Mieten und Pachten) wird auch die Einführung bestimmter Vermögensteuern beinhaltet sein, wie Kern bestätigt hat.
Weitere Veränderung im Steuersystem laut diesen Plänen: eine deutliche Erhöhung der Ökosteuern, vor allem jener auf fossile Energie (Treibstoff, Heizöl und Kohle), Tabak und Alkohol sollen ebenfalls – wie in anderen EU-Ländern – höher besteuert werden.
Mehr Befragungen der Mitglieder
Kern kündigte auch eine weitere Neuerung an: Die angekündigte Befragung der SPÖ-Mitglieder sei „ein Experiment“, weitere sollen folgen. Die Befragungen seien eine Methode, die Partei zu öffnen und verloren gegangene Gruppen und Menschen wieder an Bord zu holen, glaubt Kern.
In der aktuellen Debatte um die Mitgliederbefragung zum Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) bleibt Kern bei seiner ablehnenden Linie und verweist auf mehrere SPÖ-Parteitagsbeschlüsse gegen die beiden Freihandelsabkommen. Er räumt ein, dass es für die Befragung sehr spät sei und dass die EU-Kommission in den Verhandlungen Erfolge erzielt habe, aber einzelne Punkte seien für ihn nicht akzeptabel. Diese ablehnende Haltung könnte sich aber bei erfolgreichen Nachverhandlungen ändern.
Klar ist für Kern aber: „Wir dürfen uns die verbleibenden Spielräume der nationalen Politik nicht wegnehmen lassen.“
Die üblichen Journalistenfragen zu Neuwahlen und Koalitionszwist konterte Kern kühl: Gewählt werde 2018. Selbst wenn Norbert Hofer Präsident werde und sich die Tektonik verschiebe, seien Neuwahlen wohl kaum ein Rezept, die FPÖ an der Spitze zu verhindern. Jetzt gehe es um die Herbstarbeit, den „Lackmustest“ Ausweitung der Ganztagsschulplätze und die Beibehaltung der Regierungslinie in der Flüchtlingsfrage. Es gehe darum, „den Zuzug auf ein integrationsfähiges Maß zu reduzieren“, so Kern wörtlich. Er ist optimistisch, dass das Flüchtlingsabkommen halten werde.
Keine große Pensionsreform
Für die Verhandlungen über den Finanzausgleich schloss er eine Verlängerung der bestehenden länderfreundlichen Finanzaufteilung aus, er plädiert für temporäre und gegen langfristige Rahmen, um die nötige Flexibilität zu haben, um etwa die Flüchtlingskrise zu bewältigen.
Im Gegensatz zur ÖVP, den Neos und vielen Experten sieht Kern beim Thema Pensionen keine Dringlichkeit. Die Ausgaben im laufenden Jahr seien deutlich unter Plan, die Reformen würden greifen und für die nach 1970 Geborenen noch stärkere Einbußen bringen, als den meisten bewusst sei, meint Kern. Er sei für weitere Einzelmaßnahmen zwar gesprächsbereit, einen völligen Umbau des Systems schließt er aber aus.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2016)