Bundespolitische Themen hätten die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern überlagert, sagt die deutsche Kanzlerin. Kritik an Merkel auch aus ihrer eigenen Partei.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine Mitverantwortung für das schlechte Abschneiden ihrer Partei bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern eingeräumt. "Es ging fast ausschließlich um bundespolitische Themen, die alles andere überlagert haben", sagte Merkel am Montag am Rande des G-20-Gipfels in Hangzhou in China, besonders die Flüchtlingspolitik sei in der Kritik gestanden.
Daher habe die Landes-CDU die Früchte ihrer guten Arbeit "leider nicht ernten" können. Als Bundeskanzlerin und Parteichefin "bin ich natürlich auch verantwortlich", sagte Merkel dazu weiter. Eine inhaltliche Kurskorrektur lehnte sie aber ab: "Ich halte die grundlegenden Entscheidungen, so wie wir sie getroffen haben, für richtig." Allerdings müsse es jetzt ein Nachdenken geben, wie die CDU Vertrauen zurückgewinnen könne. Bei der Wahl am Sonntag war die CDU nach SPD und der rechtspopulistischen AfD nur drittstärkste Kraft geworden.
"Kein Vertrauen in die Lösungskompetenz"
"Ich bin sehr unzufrieden mit dem Ausgang der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern", sagte Merkel. Das Flüchtlingsthema habe alle landespolitischen Themen überlagert. Es habe sich gezeigt, dass es offenbar kein ausreichendes Vertrauen in die Lösungskompetenz der Bundesregierung gebe, sagte sie mit Blick auf das schlechte Abschneiden der CDU und die starken Zugewinne der rechtspopulistischen AfD.
Es gebe in der Flüchtlingspolitik noch Etliches zu tun. Dazu gehöre sowohl die Integration der Flüchtlinge in Deutschland als auch die konsequente Rückführung derjenigen Migranten, die kein Bleiberecht in Deutschland hätten. Die CDU habe bereits Ende 2015 angekündigt, dass sich die Aufnahme einer so großen Zahl an Flüchtlingen nicht wiederholen dürfe. Heute zeigten die rapide gesunkene Zahl an Neuankömmlingen, dass diese Reduzierung auch gelungen sei.
SPD-Chef, Vizekanzler Sigmar Gabriel warf der CDU/CSU und Merkel vor, bei der Bewältigung des Flüchtlingszuzugs zu viel Zeit verloren zu haben. Die SPD habe ein Integrationskonzept vorgelegt, "lange bevor wir es in der Regierung beschließen konnten, weil Frau Merkel es bei dem Satz belassen hat: 'Wir schaffen das'", sagte Gabriel. "Einfach nur wiederholen 'Wir schaffen das', ohne es auch zu machen, das ist unsere Kritik." Gabriel weiter: "Man muss genug Geld für Sprache haben, für Integrationskurse, für Arbeitsmarkt - und man darf das alles nicht nur den Zuwanderern zur Verfügung stellen." In einem großen Solidarpakt müsse auch anderen Menschen in Deutschland geholfen werden.
Wenig Gemeinsamkeiten in der Union
Das Ergebnis der Landtagswahl verschärft auch den Kursstreit der Schwesterparteien CDU und CSU. Führende Christsoziale machten die Kanzlerin für das schlechte Abschneiden der CDU verantwortlich und forderten einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) wertete das Ergebnis der Landtagswahl als "Weckruf für die Union". Der "Bild" und den "Nürnberger Nachrichten" (Montagsausgaben) sagte er: "Die Stimmung der Bürger lässt sich nicht mehr ignorieren. Es braucht einen Kurswechsel in Berlin."
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Stephan Mayer, nannte das Ergebnis in der "Huffington Post" "katastrophal". Hauptursache für die Niederlage der CDU sei die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. "Zwar hat die Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik seit 2015 viel verändert, doch bei vielen Wählern ist das offenbar nicht angekommen", sagte Mayer.
Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik. Hier gebe die CSU einen klaren Kurs vor, sagte er dem "Tagesspiegel": "Wir brauchen eine Obergrenze für Flüchtlinge, schnellere Rückführungen, eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer und eine bessere Integration." Der "Passauer Neuen Presse" sagte Scheuer: "Es ist schon klar, wer sich nach dieser Wahl rechtfertigen muss - nicht die CSU."
Ein historisches Datum"
Kritik an Merkels Kurs kam auch aus der CDU selbst. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach von einem Einschnitt für seine Partei. "Es ist ein historisches Datum, wenn die CDU in einem Flächenland nur noch drittstärkste Partei ist und hinter der AfD landet", sagte Bosbach der "Welt". Viele Unionswähler hätten ihre politische Heimat verloren und sich deshalb der AfD zugewendet. Merkels Flüchtlingspolitik, die zur Einreise hunderttausender Menschen geführt habe, sei "ein großes Problem".
Der CDU-Chef der Landespartei Mecklenburg-Vorpommern, Armin Laschet, sprach von einer "bitteren Niederlage" für seine Partei. Die Demokraten müssten nun "mit sachlichen Argumenten" den Aufstieg der AfD stoppen, sagte er der "Rheinischen Post".
(APA/dpa/Reuters)