Zu wenig Überwachung: Strafen drohen

Illustration:Vinzenz Schueller
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Dienstgeber in der Zwickmühle: Überwachen sie ihre Mitarbeiter zu sehr, verstoßen sie gegen das Arbeitsrecht. Zu geringe Überwachung bei gefährlichen Arbeiten verletzt aber das Verwaltungsstrafrecht.

Wien. Die Überwachung von Arbeitnehmern ist ein sensibles Thema, der Gesetzgeber knüpft sie daher an strenge Voraussetzungen. Doch gleichzeitig zwingt das Verwaltungsstrafrecht den Dienstgeber dazu, seine Mitarbeiter ausreichend zu kontrollieren. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Mitarbeiter bei gefährlichen Arbeiten ausreichend gesichert sind.

Es reicht nämlich nicht aus, die Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass sie entsprechende Schutzbekleidung tragen sollen. Der Arbeitgeber muss die Einhaltung der Schutzvorschriften durch seine eigenen Mitarbeiter auch noch überwachen. Gegen die verhängten Strafen kann man zwar bis hin zum Verwaltungsgerichtshof berufen. Doch dieser zeigt sich in diesen Fällen von der strengen Seite, was die Diskrepanz zwischen Arbeits- und Verwaltungsstrafrecht verschärft (siehe auch den unten stehenden Artikel).

„Ein Rechtsbereich widerspricht dem anderen“, sagt der Wiener Anwalt und Strafrechtsexperte Sebastian Lesigang im Gespräch mit der „Presse“. Denn der Verwaltungsgerichtshof fordere ein „wirksames Kontrollsystem“. Und dieses liege erst bei „Ausschöpfung sämtlicher technischer Möglichkeiten“ (2006/02/0034) vor. Als Beispiele nennt das Höchstgericht in dieser Entscheidung zu einer Baustelle den Einsatz von Ferngläsern. Dadurch solle man die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auch in großer Höhe kontrollieren.

Lesigang liest aus dieser Entscheidung heraus, dass auch der Einsatz von Kameras nötig sein wird. Schließlich könne man damit die Einhaltung der Arbeitschutzvorschriften ja noch besser überwachen, und der VwGH verlange eben die Ausschöpfung sämtlicher technischen Möglichkeiten.

„Unlösbarer Widerspruch“

Nun wäre es freilich kein großes Problem für den Dienstgeber, ein paar Videokameras zu kaufen und aufzustellen. Doch das Arbeitsrecht mache hier einen Strich durch die Rechnung, erklärt Anwalt Christoph Wolf von der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz. Das Arbeitsverfassungsgesetz legt fest, dass Überwachungsmaßnahmen, die die Menschenwürde verletzen, absolut unzulässig sind. Wenn eine Kamera ständig auf einen Mitarbeiter gerichtet ist, dann verletze dies die Menschenwürde aber und sei daher verboten, so Wolf. Möglich wäre es hingegen, die Kamera auf einen Bereich zu richten, in dem der Arbeiter nur manchmal zu sehen ist. Diese Maßnahme würde die Menschenwürde nur „berühren“: Aber selbst dann ist die Überwachung nur zulässig, wenn ihr der Betriebsrat zustimmt. Bleibt die Zustimmung aus, dann dürfte der Arbeitgeber auch diese Überwachungsmaßnahme aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht setzen. Dann riskiert der Arbeitgeber aber wiederum eine verwaltungsrechtliche Strafe.

„Es gibt einfach einen unlösbaren Widerspruch“, sagt Wolf. Denn wenn der Arbeitgeber eine unzulässige Überwachung einrichtet, könnten die Arbeitnehmer oder der Betriebsrat sofort auf Unterlassung klagen. Wolf plädiert für eine Gesetzesänderung, um den Widerspruch zu lösen: Man sollte im Arbeitsverfassungsgesetz festhalten, dass Überwachungsmaßnahmen zulässig sind, wenn ihr Unterlassen verwaltungsstrafrechtliche Folgen hätte. Lesigang möchte auch im Verwaltungsstrafrecht ansetzen: So solle der Arbeitgeber nur noch dann bestraft werden, wenn ihm eine grobe Verletzung der Überwachungspflicht vorgeworfen werden kann. Gleichzeitig müsse man den geschulten und eingewiesenen Dienstnehmer zu mehr Eigenverantwortung verpflichten und ein Fehlverhalten eines solchen Dienstnehmers ebenfalls unter Strafe stellen.

Weitgehende Sanktionen

Apropos Sanktionen: Dem Arbeitgeber, der die gebotene Überwachung unterlässt, drohen auch abseits des Verwaltungsstrafrechts Sanktionen. Verletzt sich der Arbeiter oder stirbt er, drohen Strafurteile wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung. Nicht fürchten muss sich der Arbeitgeber vor Schadenersatzklagen des eigenen Mitarbeiters: Der Arbeitnehmer sei hier durch das sogenannte Dienstgeberhaftungsprivileg geschützt, so Lesigang. Allerdings: Bei grober Fahrlässigkeit könne die Unfallversicherung die entstandenen Kosten beim Arbeitgeber regressieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2009)

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