Verbund-Chef: "Förderung macht Ökostromanbieter träge"

Verbund-Chef Anzengruber fordert einen nationalen Mindestpreis im CO2-Emissionshandel.
Verbund-Chef Anzengruber fordert einen nationalen Mindestpreis im CO2-Emissionshandel. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber sieht Österreich bei erneuerbaren Energien auf dem direkten Weg in die Planwirtschaft.

Die Presse: Die Förderung für Ökostromanlagen läuft nun nach 13 Jahren aus, die Regierung will sie aber verlängern. Sie sind vehement dagegen. Warum?

Wolfgang Anzengruber: Wir wollen alle weg vom CO2. Aber wollen wir das mit Planwirtschaft oder Marktwirtschaft schaffen? Derzeit ist es beim Strom in Österreich gemischt. Die Wasserkraft unterliegt dem Wettbewerb. Bei Wind, Sonne und Biomasseshaben wir Förderungen. Ich verstehe ja, wenn man diese neuen Erneuerbaren beim Start fördert, als Initialzündung. Aber wir machen das schon 13 Jahre lang. Noch dazu in der problematischen Form: auf Basis der erzeugten Menge. Wenn schon Förderungen, dann bitte in Forschung und Entwicklung oder auch als Zuschüsse für Investitionen.


Was ist an Mengenförderung so schlimm?

Das hatten wir früher in der Landwirtschaft. Die Konsequenz war ein Milchsee nach dem anderen. Bekomme ich umso mehr Förderung, je mehr ich produziere, warum soll ich mich dann darum kümmern, ob Angebot und Nachfrage zusammenpassen? Das muss zu Verzerrungen führen. Wenn wir so weitermachen, haben wir am Ende alles in der Förderung.

Braucht es nicht weiter Förderung, wenn Technologien noch nicht marktreif sind?

Sobald ich sage: Ich fördere so lang, bis sie im Wettbewerb bestehen können, dann habe ich schon entschieden, dass ich ad infinitum fördere. Bezahlen müssen das die Verbraucher.

Hilft die Einspeisevergütung nicht dabei, dass sich Technologien weiterentwickeln?

Diese Förderung macht die Ökostromanbieter träge. Wenn ich 13 Jahre lang gesicherte Renditen von sechs Prozent habe, muss ich mich nicht mehr anstrengen. Der Druck ist nur da, wenn ich etwas wirtschaftlich machen muss.

Bei einem radikalen Stopp müssten viele zusperren.

Mir ist schon klar: Auch mit einem falschen System kann man nicht von heute auf morgen brechen. Für den Übergang kann man Auktionen machen. Deutschland versteigert Förderungen für Mengen. Besser ist, man versteigert sie für Investitionen – technologieneutral, damit sich die effizienteste Methode durchsetzt. Wenn dann einer sagt: Damit komme ich nicht aus – dann muss er eben sterben. Das ist das Gesetz der Wirtschaft.

Bei Auktionen kommen große Anbieter wie Sie eher zum Zug . . .

Nein. Das würde ja bedeuten, dass ich mit Dumpingangeboten reingehe. Das wäre unwirtschaftlich, das darf ich in einer Aktiengesellschaft gar nicht machen.

Wie weit sind die Technologien?

Windkraft ist marktfähig, die Vollkosten liegen da nicht höher als bei der Wasserkraft. Fotovoltaik ist noch weit davon entfernt. Bei kleinen Anlagen auf dem Hausdach kann man ein Auge zudrücken. Aber die größeren Freiflächenanlagen müssten sich den Auktionen stellen. Biomasse ist bei der Stromerzeugung nicht sinnvoll, das ist einfach nicht wirtschaftlich.

Was wäre die wirklich marktwirtschaftliche Lösung?

Das Ziel ist ja: weniger CO2. Erneuerbare Energien sind nur eines der Mittel zu diesem Zweck. Das steuernde Maß sollte der CO2-Preis sein. Ist er hoch genug, um über Investitionen zu entscheiden, habe ich die Erneuerbaren automatisch im System.

Der EU-Emissionshandel funktioniert aber nicht. Die Zertifikate sind viel zu billig, um steuernd zu wirken. Warum?

Das Volumen der Gratiszertifikate als Starthilfe war zu groß. Die Wirtschaft ist seither schwächer gewachsen als erwartet. Wer geschenkte Zertifikate hat, gibt sie nicht mehr her. Die bisherigen Gegenmaßnahmen fruchten nicht.

Da kann Österreich allein nichts machen.

Doch! Sicher ist es besser, wenn es eine große Gruppe macht. Aber wenn man will, geht es auch national. In Großbritannien gibt es seit mehreren Jahren einen Mindestpreis für CO2, die Franzosen starten bald damit.

Kommen wir zum Verbund. Ein Investor könnte Ihren Konzern so sehen: Der niedrige Strombörsenpreis zwingt zum Sparen, es fehlen Mittel für neue Kraftwerke . . .

Es gibt auch keinen Bedarf dafür, durch das Überangebot an Strom.

In der Branche sinken die Margen, weil die Kunden heute Preise leichter vergleichen können. Sind auch Sie davon betroffen?

Ja. Strom ist ein Allerweltsprodukt, da werden sie immer jemanden finden, der noch billiger ist.


Die Nachfrage könnte durch E-Autos steigen, aber die setzen sich nicht durch.

Zurzeit noch nicht, weil fossiler Treibstoff zu wenig kostet.

Was haben Sie Investoren also noch an Potenzial zu bieten?

Man muss den Sektor anschauen, mit seinen gewaltigen Veränderungen. Deutsche Großkonzerne schreiben seit Jahren Milliardenverluste. Der Verbund hat noch nie Verlust gemacht. Sicher haben wir schon einmal mehr Geld verdient. Aber wir machen immer noch einige hundert Millionen Cashflow.

Sie stellen Dienstleistungen rund um den Strom ins Rampenlicht. Der Umsatzanteil ist aber vernachlässigbar. Ein Steckenpferd?

Dorthin geht die Reise! Den Kunden interessiert keine Kilowattstunde, er will Komfort und Transparenz. Deshalb drängen so viele Branchenfremde in den Markt: Siemens, Tesla, Apple, Google . . .

Wie wollen Sie gegen US-Technologiegiganten bestehen? Eine App zum Energiesparen können die besser programmieren.

Stimmt. Aber auch wir bringen wichtige Facetten mit. Wir verstehen viel vom Energiemanagement. Und die Stromkunden vertrauen uns. Die Fähigkeiten, die wir nicht haben, müssen wir uns durch Kooperationen zugänglich machen.

Den Gewinn müssen Sie dann aber teilen.

Logisch. Aber dieser Bereich hat einen großen Vorteil: Es erfordert keine großen Investitionen. Ein Kraftwerk kostet Hunderte Millionen, und wenn sie Pech haben, ist es in ein paar Jahren unrentabel – Beispiel Mellach.

Wann geht die Saat auf?

Man darf bei neuen Dingen nicht ungeduldig sein. Erfolge haben Sie in frühestens sieben Jahren. Aber wer heute nicht in diesen Bereich reingeht, den wird es morgen nicht mehr geben. Wir haben dafür Kapazität, nicht wie die deutschen Konzerne. Sie müssen bereinigen, sich aufspalten und Altlasten entsorgen. Diesen Vorsprung von einigen Jahren wollen wir nutzen.

ZUR PERSON

Wolfgang Anzengruber feierte am gestrigen Montag seinen 60. Geburtstag. Seit 2009 ist der gebürtige Oberösterreicher Vorstandsvorsitzender der Verbund AG, des größten Stromanbieters Österreichs (börsenotiert; 51 Prozent im Staatsbesitz). Davor leitete der Wirtschaftsingenieur fünf Jahre lang den Kranhersteller Palfinger.

Anzengruber ist verheiratet und hat drei Töchter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2016)

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