Grazer Gericht: Umbau für Prozess gegen Amokfahrer

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Eine Rampe für Rollstuhlfahrer wird installiert, auch die Vorbereitungen für die Liveübertragung des Prozesses mit rund 130 Zeugen in einen zweiten Saal laufen.

Vor dem Prozess gegen den Grazer Amokfahrer hat das Landesgericht noch umfangreiche Maßnahmen umzusetzen: Der Schwurgerichtssaal muss teilweise umgebaut werden, denn eine Rampe für Rollstuhlfahrer wird installiert. Außerdem wird angesichts des erwarteten Zuschauer-Andrangs eine Liveübertragung in einen zweiten Saal eingerichtet. Die mehrtägige Verhandlung beginnt am 20. September.

Der Schwurgerichtssaal im Grazer Straflandesgericht hätte eigentlich schon längst umgebaut und modernisiert werden sollen, sagt Gerichtssprecherin Barbara Schwarz. Die Pläne seien vorhanden und würden etwa Technik, Bestuhlung und Heizung verbessern. Nur die Finanzierung sei noch nicht genehmigt worden, weshalb nun für den Prozess gegen Alen R. in zwei Wochen vorerst nur das Nötigste gemacht werden kann. Eine Sesselreihe muss für den Bau einer Rampe entfernt werden und auch die Türen sollen elektrische Öffner bekommen.

Die übrigen Plätze im Schwurgerichtssaal werden den 50 bis 100 erwarteten Medienvertretern sowie den Opfern und Zeugen, die nach ihrer Aussage noch zuhören wollen, zur Verfügung gestellt. Andere Zuschauer werden in einem anderem Saal im Erdgeschoß des Landesgerichts Platz nehmen müssen und via Liveübertragung dem Verlauf der Verhandlung folgen können. Eine fix stehende Kamera auf der Balustrade des Schwurgerichtssaals wird Bild und Ton übertragen, beschrieb Schwarz die Pläne.

Strengere Sicherheitsvorkehrungen

Die Verlegung des Publikums in einen anderen Saal hat aber nicht nur infrastrukturelle Gründe: Es gibt Sorge um die Einhaltung von Ruhe und Ordnung bei Gericht, denn seit der Amokfahrt im Juni 2015 gingen schon mehrmals vor allem im Internet auf sozialen Netzwerken die Emotionen hoch. Der Amokfahrer und im besonderen die Begutachtung seiner Zurechnungsfähigkeit sorgte im Vorfeld für Wirbel in der Bevölkerung, weshalb das Gericht strengere Sicherheitsvorkehrungen treffen will.

Das Konzept, das bei den Jihadisten-Prozessen zum Einsatz kam, wurde für die Verhandlung gegen Alen R. adaptiert. Besucher müssen sich ab 7.30 Uhr eine kostenlose Zutrittskarte für jenen Saal holen, in den die Verhandlung übertragen wird. Die Karte gilt nur für einen Tag. Plätze können nicht reserviert werden. Mobiltelefone sind im Übertragungssaal nicht erlaubt, da verbotenerweise Fotos oder Videoaufnahmen gemacht werden könnten. Auch die Mitnahme von Taschen und Rucksäcke ist nicht erlaubt. Weitere Informationen für Besucher sind auf der Website des Landesgerichts zu finden.

Für Medien haben die Behörden ebenfalls Einschränkungen festgelegt: Um Trauben von Kameraleuten und Fotografen im Gericht zu verhindern, werden nur ausgewählten Medien mit Kameras Zugang bekommen und sowohl Film- als auch Fotomaterial den anderen Medien zur Verfügung stellen. Bisher hielten sich die Anmeldungen von Journalisten noch in Grenzen, aber das Gericht erwartet noch in der letzten Woche vor dem Prozess einige Dutzend Anfragen.

Prozess mit rund 130 Zeugen

Um vor dem Landesgericht ein Verkehrschaos durch Übertragungs-Fahrzeuge von Fernseh- und Radiostationen zu vermeiden, plant die Exekutive die öffentlichen Parkplätze gegenüber des Gerichts für Medien-Fahrzeuge frei zu halten. Direkt vor dem Gebäude, wo ein schmaler Geh- und Radweg vorbeiführt, dürfen keine Fahrzeuge parken.

Die Suche nach Geschworenen für den umfangreichen Prozess mit rund 130 Zeugen gestalte sich bisher nicht schwieriger als sonst: Viele Laienrichter wurden bereits geladen, einige mussten aus terminlichen Gründen absagen. Gerichtssprecherin Schwarz zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass die geforderten acht Geschworene sowie etwa ebenso viele Ersatz-Geschworene problemlos gefunden werden.

(APA)

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