Brief an Primare: Streikenden Ärzten wird erneut gedroht

Vermisst die Unterstützung der Gewerkschaft: Kammerpräsident Thomas Szekeres.
Vermisst die Unterstützung der Gewerkschaft: Kammerpräsident Thomas Szekeres. (c) APA
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Wer während der Dienstzeit streikt, soll bei der Personalstelle gemeldet werden.

Wien. Sechs Tage vor dem Streik der Wiener Spitalsärzte versucht der Krankenanstaltenverbund (KAV) mit einem weiteren Brief an die Primarärzte, so viele Mediziner wie möglich von der Teilnahme abzuhalten. Nachdem bereits vergangene Woche damit gedroht wurde, dass „eine Verschiebung von Diagnostik und Therapie sowie die Nichtversorgung von Patienten in diesem Zusammenhang als Dienstpflichtverletzungen gewertet werden“ könnten, wird im aktuellen E-Mail dazu aufgerufen, streikende Ärzte beim KAV zu melden.

„Falls es dazu kommt, dass Ärzte ungerechtfertigt vom Dienst fernbleiben, ist daher umgehend am nächstfolgenden Tag eine Meldung an den Vorstandsbereich der KAV-Generaldirektion zu tätigen“, heißt es darin konkret. Am Streiktag sei es nämlich „nicht möglich, dass es zu Leistungsreduktionen (auch nicht im Vorhinein geplant) und/oder Leistungsverschiebungen im Bereich der Patientenversorgung kommt“.

Leistungsreduktionen und eine Nichtversorgung von Patienten seien aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Versorgungsauftrags zu unterlassen. „Absolut kein Verständnis für die Einschüchterungsversuche der Stadt Wien und des Wiener KAV gegen die Ärzteschaft“ zeigt die Wiener Ärztekammer und fordert alle Ärzte auf, sich an die Kammer zu wenden, „sollten auch nur ansatzweise dienstrechtliche Konsequenzen seitens der Generaldirektion des KAV angedroht oder gar versucht werden, diese umzusetzen“. Selbstverständlich werde allen Ärzten „voller Rechtsschutz gewährt“.

Gewerkschaft gegen Streik

Weniger Rückendeckung für die Ärzte kommt von der für die KAV-Ärzte zuständigen Younion – Die Daseinsgewerkschaft, früher Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG). Der Streik der Ärzte werde von der Gewerkschaft nicht unterstützt, teilte ein Sprecher auf Nachfrage mit.

Dass die Ärztekammer der Meinung sei, einen Streik ausrufen zu dürfen, sei ohnehin ein „rechtlicher Graubereich“. Die Aufforderung des KAV, streikende Ärzte zu melden, spiele keine große Rolle, da man bei der Younion der Meinung sei, dass es noch vor Montag zu einer Einigung kommen und der Streik daher abgesagt werde.

Davon geht Kammerpräsident Thomas Szekeres nicht aus, da er „keinerlei Signale“ in diese Richtung erhalten habe. Dass die Younion die Ärzte bei ihrem Arbeitskampf nicht unterstütze, sei einer Gewerkschaft „unwürdig“. Die geplanten Streik- und Protestmaßnahmen würden jedenfalls ohne Zweifel „auf einer juristischen Grundlage basieren“.

Kritik von Patientenanwälten

Die Protestmaßnahmen und die damit verbundene Broschüre, die die Ärztekammer kürzlich an alle Haushalte der Stadt verschickt hat, stößt unterdessen den Patientenanwälten sauer auf. Diese „fragwürdigen Informationskampagnen“ seien „teuer und populistisch“, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten offenen Brief an Bundesärztekammer-Chef Artur Wechselberger.

Unterzeichnet ist das Schreiben von der Wiener Patientenanwältin, Sigrid Pilz, und ihrem niederösterreichischen Pendant, Gerald Bachinger. „Mit Befremden stellen wir fest, dass die Wiener Ärztekammer in der Auseinandersetzung um die Neuregelung der Dienstzeit in den Wiener Gemeindespitälern nicht davor zurückschreckt, die Bürger durch Fehlinformation und Angstmache zu verunsichern“, heißt es gleich zu Beginn des Briefs.

Darüber hinaus wird betont, dass in der Postwurfsendung an die Haushalte legitime Anliegen der Patienten wie kürzere Wartezeiten und genügend ärztliches Personal mit Forderungen und Behauptungen vermischt würden, denen die sachliche Grundlage fehle. So habe die Ärztekammer etwa den Verschiebungen von Nachtdiensten in den Tag per Unterschrift zugestimmt.

Was den Wunsch nach mehr Ärzten in Wien anbelangt, sei es Aufgabe der Kammer, die notwendigen Ausbildungsplätze zu besetzen. Zudem verhindere deren „erbitterter Widerstand“ die geplanten Erstversorgungszentren (PHC) zwecks Modernisierung im niedergelassenen Bereich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)

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