Im Konflikt mit der deutschen Bundeskanzlerin erhöht die bayrische CSU ihren Preis für eine nochmalige Unterstützung. Auch innerhalb der Koalition wird der Ton rauer.
Berlin. In ihrer Kritik an Kanzlerin Angela Merkel, die sich seit Sonntag für das CDU-Debakel in Mecklenburg-Vorpommern verantworten muss, malt die CSU nun das ultimative Schreckgespenst an die Wand: Österreich. Wenn die Regierungsparteien in der Flüchtlingspolitik weiter zusehen, drohe ihnen dasselbe Schicksal wie der SPÖ und der ÖVP, sagte der CSU-Fraktionschef im bayrischen Landtag, Thomas Kreuzer, am Dienstag in Merkels Richtung. Auch der Aufstieg der FPÖ habe „relativ klein und harmlos“ begonnen. Bei der AfD, die in Mecklenburg-Vorpommern zweitstärkste Partei vor der Union geworden war, könnte es ähnlich sein.
Die Lösung kann laut CSU nur ein Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik sein. Man verlangt unter anderem eine Obergrenze bei den Asylanträgen und schnellere Rückführungen. Zu diesem Zweck soll die Gruppe der sicheren Herkunftsländer erweitert werden. Freitag und Samstag geht der Parteivorstand in Klausur. Auf Schloss Schwarzenfeld in der Oberpfalz soll, wie CSU-Chef Horst Seehofer ankündigte, „alles Nötige besprochen werden“. Also auch die weitere Vorgangsweise im Konflikt mit Merkel. Man will wohl den Druck erhöhen.
Die Kanzlerin habe bisher alle seine Aufforderungen ignoriert, klagte Seehofer in der „Süddeutschen Zeitung“. Aber die Union brauche eine „klare Orientierung“. Spätestens im Oktober müsse eine Klärung her, nicht nur in Fragen der inneren Sicherheit und der Zuwanderung, sondern auch bei den Themen Steuern und Renten. Sollte es zu keiner Einigung kommen, will man Merkel die Unterstützung verweigern – sofern sie bei der Bundestagswahl in einem Jahr noch einmal antritt. Entscheiden wird sich die Kanzlerin vermutlich noch vor dem CDU-Parteitag Anfang Dezember.
Auch der Koalitionspartner geht nun mehr und mehr auf Distanz zu Merkel, weil er der Meinung ist, auf diese Weise bei den Wählern punkten zu können. Nach der inhaltlichen Kritik von SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag (die CDU habe Integrationsmaßnahmen verschleppt), nahm sein Vizeparteichef tags darauf die Kanzlerin persönlich ins Visier. Merkel, sagte Ralf Stegner zu „Spiegel online“, habe „ihren Zenit eindeutig überschritten“.
Umfeld der Kanzlerin irritiert
Im Umfeld der Kanzlerin wusste man nicht so recht, über wen man sich mehr ärgern sollte – über die CSU oder die SPD. Innenminister Thomas de Maizière nannte die Kritik „verwunderlich“, zumal sie von jenen komme, die entweder mit am Regierungstisch (SPD) oder im Koalitionsausschuss (CSU) gesessen seien, „als Woche für Woche die Dinge vorgebracht wurden“.
Merkel selbst hat am Montag zwar eine Mitverantwortung für die Wahlniederlage in Mecklenburg-Vorpommern eingeräumt, aber gleichzeitig betont, dass sie ihren Kurs beibehalten möchte. Das gefällt auch in der CDU nicht allen, aber bis zur Berlin-Wahl am 18. September hält man sich in der Öffentlichkeit zurück. Sollte die Union erneut stark verlieren, könnte die Stimmung kippen. (pri)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2016)