„Region ist äußerst entflammbar“

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Božo Petrov, Chef des drittstärksten Bündnisses Most, stellt Bedingungen für eine Koalition nach der Wahl am Sonntag. Der Psychiater verurteilt Hetze gegen Serbien.

Die Presse: Ihrem Bündnis Most (Brücke, Anm.) fällt bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Kroatien am 11. September voraussichtlich die Rolle des Königsmachers zu. Sie positionieren sich als Garant für die Bürger, dass in Kroatien Veränderungen möglich sind und haben der konservativen HDZ und den Sozialdemokraten von der SDP sieben Bedingungen für eine Zusammenarbeit gestellt. Welche?

Božo Petrov: Wir verlangen, dass den Versprechen, die die beiden Parteien seit 20 Jahren geben, Taten folgen müssen. Noch bevor eine Regierung gebildet wird, müssen sieben Gesetze verabschiedet werden. Das Wahlgesetz muss geändert werden. Wir fordern, dass man drei, und nicht wie bisher einem Kandidaten die Vorzugsstimme geben kann. Kandidaten, die wegen Interessenskonflikte und dergleichen rechtskräftig verurteilt worden sind, dürfen nicht zugelassen werden. Diese Bedingungen sind nur ein Zehntel von dem, was die Parteien ihren Wählern seit 20 Jahren versprechen.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Reformen wirklich umgesetzt werden?

Nach der Konstituierung des Parlaments sollten die Änderungen beschlossen werden. Die Partei, die diese Gesetze annimmt, wird unsere Unterstützung bekommen, die Regierung zu bilden und den Premier zu stellen.

Wollen Sie nicht selbst Premier werden?

Most hat nie nach bestimmten Positionen verlangt. Wir haben einen Spitzenkandidaten aufgestellt, das bin ich, einzig, weil wir finden, dass wir einen eigenen Kandidaten haben müssen. Andererseits sehe ich nicht, warum ein Herr Milanović oder ein Herr Plenković (Vorsitzende der SDP bzw. HDZ, Anm.) die besseren Kandidaten sein sollen als ich.

Glauben Sie, die SDP und HDZ werden auf Ihre Bedingungen eingehen?

Wenn sie im Interesse der Bürger handeln wollen, stellt das überhaupt kein Problem dar. Eine Frage: Ist man bereit, mit einer Firma zusammenzuarbeiten, die versucht, einen übers Ohr zu hauen und nichts zu tun?

Durch die kroatische Gesellschaft scheint in ideologischen Fragen ein Riss zu gehen, eine Teilung in Nationalisten und Kommunisten findet statt.

Die SDP und HDZ haben diese Teilung absichtlich geschaffen, um ihre Wähler zu mobilisieren. Ideologie wird nur aus wahltaktischen Gründen benützt. Die Parteien waren sich nicht bewusst, was sie anrichten, und jetzt haben wir tatsächlich eine Spaltung. Ich glaube, dass es wichtigere Dinge gibt als die Frage, auf welcher Seite jemandes Großvater im Jahr 1945 gestanden ist. Weltanschauung ist wichtig – jedoch nicht so wichtig wie die wirtschaftliche Entwicklung.

Die nationalistischen Debatten haben zu Verstimmungen mit Serbien geführt. Nach gegenseitigen Beleidigungen und zuletzt der Blockade Kroatiens gegen Serbiens EU-Beitrittsverhandlungen: Wie beurteilen Sie das Verhältnis zum Nachbarn?

Die Verhältnisse mit Serbien sind derzeit alles andere als gut. Mir ist unerklärlich, warum SDP und HDZ mit dem Feuer spielen. Offenbar ist es ihnen egal, was vor 25 Jahren passiert ist und dass die Region äußerst entflammbar ist. Die Spannungen werden nicht zu Stabilität und Sicherheit im Land beitragen, geschweige denn zu wirtschaftlicher Entwicklung. Man muss eine klare Haltung haben, aber sie nicht auf hetzerische Weise vortragen. Das Gesetz zur universalen Rechtsprechung (serbisches Gesetz, wonach auch Kroaten wegen Kriegsverbrechen belangt werden können, Anm.) zum Beispiel ist nicht gut und kann so nicht durchgehen. Das kann man aber auch so sagen und muss nicht das Land beleidigen. Gleichzeitig verwendet auch Serbien dieselbe Rhetorik, um seinerseits politische Punkte zu sammeln. Serbien muss, wenn es ein Partner der EU sein will, wissen, was die Regeln, Pflichten und Verantwortungen sind. Mit Gesprächen kommt man immer zu einer Lösung.

Auch Kroatien hat innerhalb der EU Pflichten. Dieser Tage wird Österreich mehrere Hundert Flüchtlinge nach Kroatien zurückführen, wie es nach der Dublin-Verordnung vorgesehen ist. Ist Kroatien gerüstet für Flüchtlinge und Integration?

Kroatien hat sich als verantwortungsbewusstes Land gezeigt, das die Flüchtlingskrise bewältigen kann. Ich hoffe nur, dass es innerhalb der EU-Staaten aus Angst um das eigene Land nicht zu einer Kettenreaktion kommt, wie es in den vergangenen Monaten der Fall war. Wir haben eine Quotenregelung für Migranten vereinbart, und ich erwarte, dass sich alle Länder solidarisch zeigen werden.

Zuletzt gab es regeren Austausch zwischen Österreich und Kroatien im Fall der ehemaligen Hypo Alpe-Adria-Bank. Most hat den kroatischen Behörden Versagen bei der Aufklärung und Verhinderung von mutmaßlich kriminellen Machenschaften vorgeworfen. Wie läuft der Kampf gegen Korruption?

Kroatien kämpft schon seit Jahren dagegen, aber ich glaube, dass gewisse Leute politisch geschützt waren. Man müsste die Institutionen entpolitisieren, das wäre nicht nur ein Schritt gegen Kriminalität, sondern würde auch die wirtschaftliche Erholung fördern.

ZUR PERSON

Božo Petrov (37) ist Vorsitzender der Reformpartei Most, die bei der Parlamentswahl im Vorjahr auf Anhieb zur drittstärksten Kraft aufgestiegen ist. Ihr wird wohl erneut die Rolle des Königsmachers zukommen. Keine Großpartei wird nun laut Umfragen die absolute Mehrheit erreichen.

Im Vorjahr hatte die HDZ gemeinsam mit Most eine Mitte-rechts-Regierung gebildet, jedoch wurde der unabhängige Premier durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Most hat bereits Bedingungen für potenzielle Koalitionspartner gestellt, unter denen sie bereit wäre, ein Regierungsbündnis zu schließen. Petrov soll unter dem Einfluss der Kirche stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2016)

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