Der Tiefschlag für Sobotka im ersten Ministersommer

Fassungslos über die Probleme mit den Wahlkarten: Innenminister Wolfgang Sobotka ordnete als oberster Wahlleiter die Prüfung einer Verschiebung der Stichwahl an.
Fassungslos über die Probleme mit den Wahlkarten: Innenminister Wolfgang Sobotka ordnete als oberster Wahlleiter die Prüfung einer Verschiebung der Stichwahl an.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Der Niederösterreicher für das geschärfte Profil der ÖVP: Die drohende Wahlverschiebung kommt dem Hardliner in die Quere.

Wien. Die Österreicher stimmten sich schon auf ein sonniges Spätsommerwochenende ein. Für Innenminister Wolfgang Sobotka war es hingegen ein völlig verpatzter Freitagmorgen. Um acht Uhr früh hat der betont forsch auftretende ÖVP-Politiker aus dem niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs notgedrungen die Entscheidung getroffen, eine Verschiebung der für 2. Oktober angesetzten Bundespräsidentenstichwahl zu prüfen.

Kein leichter Schritt. Auch wenn der Grund für die Probleme mit den Wahlkarten in einem „augenscheinlichen Produktionsfehler“ (Innenministerium) und damit bei der Druckfirma gesehen wird, so ist eine mögliche Verschiebung der Hofburg-Wahl eine politische Blamage. Ein herber Schlag gerade für einen, der auf Recht und Ordnung Wert legt und oberster Leiter der Wahlbehörde ist. Es braucht auch wenig Fantasie, um sich die Stimmungslage des Innenministers auszumalen, dem ohnehin der Ruf vorauseilt, aufbrausend zu sein.

Zerknirscht ließ er via Presseaussendung bekannt geben, wenn eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl nicht möglich sei, sei es seine Aufgabe als oberster Wahlleiter, eine Verschiebung umgehend zu prüfen. Das wird viele Österreicher noch weniger als die Wahlwiederholung freuen, das war Sobotka klar: „Für die technischen Unzulänglichkeiten kann ich mich bei der österreichischen Bevölkerung nur entschuldigen.“ Bis Anfang der Woche will er schweigen, um die Spekulationen nicht selbst weiter anzuheizen. Dann werden die Konsequenzen der Prüfung der Rechtsklage mitgeteilt.

Wahlaufhebung Anfang Juli

So hat sich der ganz im Stil der machtbewussten niederösterreichischen ÖVP als Macher agierende 60-jährige Sobotka seine ersten Monate im Amt nicht vorgestellt. Erst heuer im April hat er Johanna Mikl-Leitner nach einem Überraschungscoup, mit dem Landeshauptmann Erwin Pröll die ÖVP vor vollendete Tatsachen gestellt hat, abgelöst.

Es folgte ein Sommer des Missvergnügens für den neu installierten Innenminister. Dabei schien der absolute Tiefpunkt am 1. Juli mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs erreicht. Da wurde die von der FPÖ angefochtene Stichwahl um das Bundespräsidentenamt vom 22. Mai, bei der Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen knapp vor FPÖ-Kandidat Norbert Hofer durchs Ziel gegangen war, gekippt.

Es sollte noch schlimmer kommen. Es braute sich in den vergangenen Tagen zusammen, als sich die Nachrichten um die Schwierigkeiten mit den Wahlkarten mehrten. Mit der Anordnung der Überprüfung versucht Sobotka zu dokumentieren, dass er trotz all der Fährnisse Herr der Lage ist. Aber nur Stunden später erfuhren die Österreicher via ORF-Radio, dass Ministeriumsmitarbeiter empfohlen hatten, mit Klebstoff selbst an den Wahlkuverts Hand anzulegen und darüber zu schweigen.

Dabei war das Erbe Mikl-Leitners nach Zigtausenden Asylwerbern im Vorjahr zur Eindämmung des befürchteten weiteren Flüchtlingsstroms allein schon eine Herkulesaufgabe. Da ließ Sobotka auch keine Minute und kein Mikrofon aus, um sein Law-and-Order-Profil und jenes der ÖVP, die die Sicherheit der österreichischen Staatsbürger im Auge hat, zu schärfen. Im Stakkato brachte er Ideen zur weiteren Verschärfung des Asylrechts aufs Tapet.

Er ging der SPÖ auf die Nerven

Die Vehemenz, mit der der langjährige Finanzreferent in Niederösterreich auf die baldige Umsetzung der Asylnotverordnung zur Einhaltung der Obergrenze von heuer maximal 37.500 Asylwerbern drängte, strapazierte die Nerven der SPÖ-Politiker von Bundeskanzler Christian Kern abwärts bis aufs Äußerste. Am Dienstag dieser Woche wurde der Entwurf durchgeboxt, auch wenn noch so manche Unstimmigkeit bestehen blieb.

Die rauen Töne, die er als Innenminister anschlägt, kontrastieren zum Bild des mehrfachen Familienvaters als überaus musischen Menschen. Er hat das Dirigieren studiert und frönt dem als Hobby, ebenso wie dem Garteln. Seine politische Heimat ist der Arbeitnehmerbund (ÖAAB). Als ÖAAB-Landeschef hat er schon im Juli bundesweit mit der Forderung nach einer Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit für Bezieher einer Mindestsicherung aufhorchen lassen. Trotz der akuten Wahlkalamitäten ist jedenfalls für Sobotka heute, Samstag, der Besuch des ÖAAB-Bundestages in Graz mit der Kür des Oberösterreichers August Wöginger zum ÖAAB-Bundeschef Pflicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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