Kandidaten rüsten für Wahlverschiebung

Die Plakate der beiden Präsidenten hängen schon, wie lang noch ist die Frage. Denn dass die Wahl verschoben wird, steht so gut wie fest.
Die Plakate der beiden Präsidenten hängen schon, wie lang noch ist die Frage. Denn dass die Wahl verschoben wird, steht so gut wie fest.(c) REUTERS
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Während das Bundeskriminalamt ermittelt, warum der Klebstoff der Kuverts nicht hält, empfiehlt die Ministeriumshotline Uhu zur Reparatur. Was aber nicht dem Gesetz entspricht.

Wien. Manch gut gemeinten Ratschlag sollte man besser ausschlagen. Zum Beispiel dann, wenn man ein sich auflösendes Briefwahlkuvert zugestellt bekommt, dann bei der Hotline des Innenministeriums anruft und dort empfohlen bekommt, das Kuvert einfach wieder zuzukleben. Das soll einer jungen Wienerin am Freitag passiert sein, wie Ö1 berichtete – und bei einem Testanruf eine ähnliche Antwort bekam: Wenn ein Kuvert nämlich schon unterschrieben ist, dann könne es nicht getauscht werden. Wenn man es allerdings möglichst unauffällig zusammenklebe, würde das vielleicht nicht auffallen, sagte der Mitarbeiter.

Zulässig ist das nicht: Das Ministerium hat gegen den Mitarbeiter disziplinar- und strafrechtliche Schritte eingeleitet. Ein wiederverklebtes Kuvert muss als ungültig gewertet werden, weil somit vorher theoretisch die Stimme getauscht hätte werden könnte. Die rechtswidrige Empfehlung der Hotline ist nur eine weitere Facette im Debakel um die Wahlkarten. Denn obwohl die Gemeinden alle nicht versendeten Briefwahlkuverts noch einmal kontrolliert haben, häufen sich die Fälle, in denen sich der Kleber zeitverzögert auflöst. Demnach können Wähler nicht sicher sein, dass die Kuverts den Transport überstehen und ihre Stimme zählen wird.

FPÖ-Böhmdorfer gegen Innenminister

Diese Tatsache ist derart schwerwiegend, dass nun eben darüber beraten wird, ob eine Wahl überhaupt mit diesen Kuverts durchgeführt werden kann – und ob der Wahltermin nicht besser gleich verschoben werden sollte.
Indessen übt der frühere Justizminister Dieter Böhmdorfer – der als Anwalt die FPÖ vor dem Verfassungsgerichtshof vertreten und die Wiederholung der Wahl erwirkt hat – im Gespräch mit der „Presse“ harte Kritik am von der ÖVP gestellten Innenminister, Wolfgang Sobotka: „Was muss ein Innenminister noch in seiner Sphäre zu verantworten haben, ohne dass die politische Verantwortlichkeit eingemahnt wird?“ Auf Nachfrage, welche Stelle diese Verantwortlichkeit denn „einmahnen“ solle, sagt Böhmdorfer: „Das Parlament.“ Nachsatz: „Auch Ohnmacht braucht Kontrolle.“

Auch der stellvertretende Leiter der Bundeswahlbehörde, Robert Stein, gerät wegen der Wahlkartenprobleme ins Schussfeld der Kritik. Böhmdorfer: „An seinem Beispiel sieht man, dass politische Fehlleistungen von Beamten in Österreich sanktionslos geworden sind – wie im Beamtenbereich fast üblich.“ Insgesamt nennt Böhmdorfer die Wahlkartenpannen ein „peinliches Debakel“. Auf die Frage, ob es für ihn denkbar sei, auch die Wahlwiederholung im Namen der FPÖ anzufechten, sagt Böhmdorfer: „Ich habe keinen Auftrag, Material zu sammeln.“ Ob ein solcher Auftrag noch erteilt werden könnte? „Es gibt keine Anzeichen dafür.“

>>> Soll die Hofburg-Wahl verschoben werden?

Die beiden Hofburgbewerber stellen sich auf einen späteren Wahltag ein. FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer erklärte zunächst, man solle den 2. Oktober auf jeden Fall einhalten und schlug vor, einvernehmlich auf die Briefwahl bei dieser Wahl zu verzichten. Wenig später ließ er über Facebook wissen, dass er schon fix mit einer Wahlverschiebung rechnet. Seine Anhänger rief er auf: „Bitte seid nicht verzagt wegen des neuen Wahltermins.“ Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen bat um einen Termin mit dem Innenministerium und verschob den für Freitag geplanten Wahlkampfauftakt. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zeigte sich offen, was eine Verschiebung betrifft: „Jeder Österreicher muss die Möglichkeit haben, sein Wahlrecht auszuüben“, betonte er.

Einbruch in eine Filiale der Druckerei

Mysteriös ist ein Einbruch in eine Zweigstelle der Wahlkarten-Druckerei Kbprintcom in Wien-Floridsdorf in der Nacht auf Donnerstag. Die Polizei bestätigte einen entsprechenden „Krone“-Bericht, glaubt aber nicht an ein politisches Motiv, weil in der Filiale die Wahlkarten nicht gedruckt werden.

Das Unternehmen Kbprintcom wollte sich am Freitag noch immer nicht äußern, wie es zu den schlecht verklebten Kuverts kam. Die in Oberösterreich ansässige Druckerei musste dem Innenministerium einen Bericht vorlegen – die Ergebnisse sollen erst am Montag präsentiert werden. Das Ministerium hat veranlasst, dass das Bundeskriminalamt ermittelt – dem Vernehmen nach haben sich die Nachforschungen auf die Frage konzentriert, ob ein Mitarbeiter absichtlich die Fehlproduktion verursacht haben könnte. Das Bundeskriminalamt führt forensische Untersuchungen an den Umschlägen durch.

Ex-Mitarbeiter der Firma Kbprintcom beschreiben das Arbeitsklima als schlecht: Seit Jahren gebe es große Personaleinsparungswellen. Kbprintcom steht für Kroiss und Bichler, die beiden Familien betreiben mehrere Firmen und stehen in enger Geschäftsbeziehung zueinander. So betreibt die Familie Kroiss mit der Kboffset eine weitere Druckerei in Regau. Geschäftsführer, Christian Kroiss hat diese vor zwei Tagen verkauft. An wen, wollte er auf Anfrage der „Presse“ nicht sagen. Laut seinem Bruders Martin Kroiss, Geschäftsführer der Kbprintcom, soll dies aber nichts mit den Briefwahlkarten zu tun haben. Das Ministerium will alle anfallenden Kosten von der Druckerei zurückfordern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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