Die Wahl per Brief von A bis Z

Sie wird immer beliebter, und damit immer entscheidender: die Briefwahl. Bei der Hofburg-Stichwahl beantragten so viele Wähler wie nie zuvor – nämlich fast 900.000 – eine Wahlkarte. Diese Stimmen entschieden damit nicht nur das Rennen zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer, sie sind auch einer der Hauptgründe für die Aufhebung der Stichwahl - und deren neuerlicher Verschiebung auf den 4. Dezember. Ein Überblick über Anfänge und Auswirkungen der Wahl per Brief.
von Bernadette Bayrhammer, Iris Bonavida und Julia Neuhauser

Wer im Ausland lebt, darf seit einem VfGH-Entscheid im Jahr 1989 wählen – allerdings war das eine eher komplizierte Angelegenheit, für die Zeugen notwendig waren. 2008 wurde das vereinfacht und die Briefwahl auch für das Inland erlaubt (siehe E).

Die Wahlleiter und Beisitzer pflegten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen bei der Bundespräsidentenwahl einen zu lockeren Umgang: Teilweise öffneten sie die Kuverts am Sonntag statt am Montag, zählten die Stimmen zu früh und ohne Beobachter aus.

Verantwortlich für den Druck der 1,5 Millionen Wahlkartenkuverts (siehe K) ist die Firma kbprintcom.at, ein Familienunternehmen mit Sitz in Wien und Vöcklabruck. Sie kümmert sich seit 2003 um den Druck von Stimmzetteln. Früher war dies eine Aufgabe der Österreichischen Staatsdruckerei.

Im Jahr 2007 machte die rot-schwarze Koalition auch im Inland das Wählen außerhalb der Wahlzelle möglich. Wer eine Wahlkarte beantragt, kann mit dieser nun im eigenen oder in einem fremden Wahllokal oder auch per Post wählen. Das wurde immer beliebter: Bei der Nationalratswahl 2008 waren acht Prozent Wahlkartenstimmen, bei der Hofburg-Stichwahl mehr als 16 Prozent.

Das Porträt des Ex-Präsidenten darf weiterhin in den Schulen hängen. Wann es durch ein neues ausgetauscht wird, ist noch unklar (siehe Z). Böse Zungen behaupten, dass es kaum auffällt, dass es keinen Nachfolger gibt.

Die Grünen profitieren von der Briefwahl. Bei der Präsidentenstichwahl am 22. Mai (die vom VfGH aufgehoben wurde) war jede fünfte Stimme für Alexander Van der Bellen eine Wahlkarte – bei Norbert Hofer jede achte.

Der FPÖ-Kandidat hält grundsätzlich nicht viel von einer Verschiebung. Lieber würde er den 2. Oktober als Termin beibehalten und die Briefwahl einfach weglassen. Die Forderung verwundert nicht: Ohne Briefwahlstimmen hätte er die erste Stichwahl gewonnen. Doch es hilft nichts: der 4. Dezember steht fest.

Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat seit April diese Funktion inne. Damit fallen die Wahlpannen in seine Verantwortung.

In diesem Monat hätte der neue Präsident angelobt werden sollen. Heinz Fischer trat am 8. Juli ab, konnte sein Amt aber nicht an einen Nachfolger übergeben. Das Datum wurde übrigens seit der Angelobung von Rudolf Kirchschläger beibehalten.

Da sich die Klebenaht des Kuverts löst, in das Briefwähler die Wahlkarte geben müssen, könnte der Stimmzettel getauscht werden oder herausrutschen. Wer ein solches Kuvert bekommen hat, soll sich bei seiner Gemeinde melden – und die Wahlkarte keinesfalls unterschreiben. Wie viele schadhafte Kuverts es gibt, ist unklar.

„Die Presse“ berichtete erstmals exklusiv über schadhafte Kuverts. Die ersten fehlerhaften Wahlkarten tauchten für die Bezirksvertretungswahl in der Leopoldstadt auf. Dann auch für die Bundespräsidentenstichwahl (siehe K).

Die Briefwahl hat den Ruf, Spielraum für Manipulationen zu bieten. Bei der Präsidentenstichwahl fanden die Verfassungsrichter keine Hinweise darauf. Immer wieder gab es aber Vorwürfe, dass Wahlkarten von jemand anderen beantragt und ausgefüllt wurden, etwa in Pflegeheimen. Ein burgenländischer Bürgermeister gab sogar zu, bei der Landtagswahl 2010 fremde Wahlkarten ausgefüllt zu haben.

Doris Bures, Karlheinz Kopf und Norbert Hofer profitieren derzeit von der Absenz des Bundespräsidenten (siehe F). Als Kollegialorgan übernimmt das Nationalratspräsidium die Geschäfte des Bundespräsidenten.

Die Volkspartei war die treibende Kraft hinter der Einführung der Briefwahl. Sie SPÖ – eigentlich dagegen – stimmte letztendlich zu. Und zwar im Tausch gegen die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Fast zeitgleich gaben Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer Ende Jänner ihre Kandidatur bekannt. Seitdem befinden sie sich eigentlich im Dauerwahlkampf. Nach zwei regulären Wahlen, einer Wiederholung und einer Verschiebung ist diese Bundespräsidentschaftswahl nicht nur für sie vor allem eines: eine Qual.

So umstritten die Briefwahl ist, so fest ist sie verankert. Sie steht nämlich im Verfassungsrang. Eine etwaige Abschaffung bedürfte also einer Zweidrittelmehrheit, und sie ist im Parlament schwer zu finden.

Die Wahl wiegt schwer: 42,3 Tonnen Papier hat die kbprintcom.at (siehe D) mit elf Kilo Farbe bedruckt. Diese Produktion kostet. Rund 2,2 Millionen Euro veranschlagt der Bund u. a. für den Druck der Stimmzettel. Insgesamt wird die Wahlwiederholung den Steuerzahler zehn Millionen Euro kosten. Für die Verschiebung wird nochmal mit rund zwei Millionen Euro gerechnet.

Die Telefonhotline des Innenministeriums riet laut ORF-Radio einigen Betroffenen, ihr kaputtes Kuvert unauffällig zusammenzukleben. Was sie nicht sagte: das macht die Stimme ungültig.

Dass die Wahlwiederholung findet am 4. Dezember statt - zuvor waren auch der 13., 20. und 27. November im Gespräch.