Strasser fußfesselfrei: Das leise Ende der Lobbying-Affäre

Ein schwerer Weg: Ernst Strasser im Wiener Justizpalast (Bild vom Oktober 2014) – damals sprach der OGH das letzte Wort.
Ein schwerer Weg: Ernst Strasser im Wiener Justizpalast (Bild vom Oktober 2014) – damals sprach der OGH das letzte Wort.(c) APA/ROBERT JAEGER
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Heute darf Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser nach 16 Monaten seine Fußfessel ablegen. Derzeit befinden sich 296 Personen im Hausarrest.

Wien. Ein schwarzes Kunststoffband rund um das Fußgelenk, dazu ein eingebauter Sender – derart ausgestattet musste Ernst Strasser die vergangenen 16 Monate leben. Diesen denkwürdigen Lebensabschnitt hat er nun hinter sich gebracht. Am Dienstag wird dem Ex-ÖVP-Innenminister (2000 bis 2004) im Gefängnis Wien-Simmering die Fußfessel abgenommen.
Da war etwa Strassers viel beachteter Auftritt vor dem Hypo-U-Ausschuss im Oktober des Vorjahres – mit Fußfessel. Und auch seinen 60. Geburtstag musste der frühere Spitzenpolitiker und spätere EU-Parlamentarier und Lobbyist im Hausarrest verbringen.

Drei Jahre Gefängnis wegen Bestechlichkeit – das war die Strafe, die Strasser im November 2014 in der (für ihren gelockerten Vollzug bekannten) Justizanstalt Wien-Simmering antrat. Davor war er in der Cash-for-Law-Affäre verurteilt worden. Laut Urteil hatte Strasser als ÖVP-Delegationsleiter des Europäischen Parlaments von vermeintlichen Lobbyisten (in Wahrheit waren es verdeckt arbeitende Journalisten) Bestechungshonorare gefordert, um dafür Einfluss auf EU-Regeln zu nehmen.

Sechs Monate „sitzen“

Mit der dreijährigen Haftstrafe kam Strasser glimpflich davon. Der OGH erließ ihm ein halbes Jahr, das Erstgericht hatte noch dreieinhalb Jahre verhängt. Mit Rechtskraft der Strafe war klar: Einen Teil der Strafe, mindestens sechs Monate, würde Strasser im Gefängnis verbringen müssen. Dies ergab sich aus der Regelung, dass zwar jeder Häftling nach der Halbstrafe (bei Strasser eineinhalb Jahre) um vorzeitig bedingte Entlassung ansuchen kann – aber die Hausarrestzeit prinzipiell ein Jahr nicht übersteigen darf.

Dass Strasser die Fessel letztlich 16 Monate lang trug, beruht auf einer zu optimistischen Einschätzung der Justizanstalt. Dort dachte man, dass der Ex-Minister pünktlich nach der Halbstrafe frei kommen würde, und gewährte dementsprechend ein Jahr vor diesem angenommenen Termin die Überstellung in den Hausarrest.

Doch das Vollzugsgericht verweigerte dem prominenten Häftling eine Entlassung zur Halbzeit. So wurden nach zwölf Monaten Hausarrest noch vier Monate angehängt.
Generell müssen bei Hausarrest zwei Faktoren vorliegen: Die Betroffenen müssen Wohnung und Arbeit haben. Strasser arbeitete als Fußfesselträger im Büro einer Beratungsfirma. Schon in der Anstalt (nach nur acht Wochen war er Freigänger) hatte er gearbeitet: in der Gefängnisbibliothek.

Ist die Fußfessel ein geeignetes Instrument zur Resozialisierung? Experten bejahen dies. Zweifler führen an, dass Hausarrest keine richtige Strafe sei. Fußfesselträger selbst sprechen vielfach von einer psychischen Belastung.

Der elektronisch überwachte Hausarrest wurde mit 1. September 2010 eingeführt. Seit damals wurde in 294 von 4000 bewilligten Fällen diese Vollzugsform vorzeitig beendet. Die Gründe hierfür waren ungefähr zu einem Drittel die Begehung neuerlicher strafbarer Handlungen, zu einem Drittel Verletzung von Auflagen (zum Beispiel ein positiver Alkoholtest) und zu einem Drittel der Wegfall einer Voraussetzung (etwa Arbeitsverlust).
Derzeit, Stichtag 1. September, befinden sich österreichweit 296 Personen im Hausarrest. Tendenz steigend.

Justizminister Wolfgang Brandstetter will die Fußfessel auch im Maßnahmenvollzug einsetzen, um Anstaltsinsassen etwa bei Ausgängen besser überwachen zu können. Auch gibt es Pläne, die maximale Hausarrestzeit von einem Jahr (siehe oben) auf eineinhalb Jahre auszudehnen.

Wie zukunftsträchtig der – für die Justiz im Vergleich zu Gefängnis kostensparende – Hausarrest ist, zeigt die Neuausschreibung der Fußfesseltechnik: Den Bewerbern wurde mitgeteilt, dass sie in der Lage sein sollten, in den nächsten Jahren bis zu 2000 Personen mit Fußfesseln auszustatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2016)

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