Ärzte auf der Straße – und ein „Feindbild“

2000 Spitalsärzte streikten am Montag gegen das „Herunterfahren des Gesundheitssystems“.
2000 Spitalsärzte streikten am Montag gegen das „Herunterfahren des Gesundheitssystems“. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Rund 2000 Spitalsärzte demonstrierten am Montag gegen Nachtdienstreduktionen und Schichtdienste. Der Höhepunkt der Abschlusskundgebung war die Forderung nach einem Rücktritt von KAV-Generaldirektor Udo Janßen.

Wien. Mit der Forderung nach dem Rücktritt von Udo Janßen, Generaldirektor des Krankenanstaltenverbundes (KAV), ging am Montag der erste Warnstreik der Wiener Spitalsärzte über die Bühne. Ohne einen „Wechsel in der Generaldirektion“ seien weitere Gespräche nicht besonders vielversprechend, betonte etwa Hermann Leitner, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Wiener Ärztekammer unter tosendem Applaus der rund 2000 Spitalsärzte (von insgesamt 3100 aktiven Ärzten im KAV) auf dem Stephansplatz. Dort fand gegen 12 Uhr die Abschlusskundgebung des Streiks ab.

Der Demozug hatte zuvor um 9 Uhr auf dem Dr.-Karl-Lueger-Platz seinen Ausgang genommen und über den Ring und die Weihburggasse zum Stephansplatz geführt. Mit dabei hatten die Ärzte (fast alle im weißen Kittel) Transparente („Kürzere Wartezeiten für Patienten“, „Bitte nicht krank werden, Gänge sind voll“, „Mehr Zeit für Ausbildung“) sowie Trillerpfeifen und Ratschen, die für die entsprechende Geräuschkulisse sorgten. In den Spitälern herrschte vier Stunden Notbetrieb. Geplante Operationen und Ambulanztermine wurden verschoben, zu gravierenden Engpässen kam es nicht.

„Begeistert und tief beeindruckt“

„Geradezu überwältigt“ zeigte sich Leitner angesichts der zahlreichen Ärzte, die trotz Androhung von Repressalien durch den KAV am Streik teilgenommen hatten. Auch der Lungenfacharzt und Asklepios-Obmann Gernot Rainer, dessen Vertrag im Otto-Wagner-Spital wegen mangelnder Identifikation mit den „Gesamtinteressen der Stadt Wien“ nicht verlängert wurde und der dies nun gerichtlich bekämpft, hielt eine Rede. Er bekräftigte die Notwendigkeit eines Streiks und sei „begeistert und tief beeindruckt“ über die Solidarität seiner Kollegen. „Volle Solidarität“ der niedergelassenen Ärzte garantierte den streikenden Medizinern auch der Vertreter des niedergelassenen Bereichs in der Wiener Kammer, Johannes Steinhart.

Den größten Applaus erntete Kammerpräsident Thomas Szekeres, der die Bühne als Letzter betrat. Neben der sofortigen Rücknahme der Nachtdienstreduktion (40 von rund 350 sollen gestrichen werden) sprach er sich in einer emotionalen Rede erneut gegen „flächendeckende Schichtdienste“ ohne Zustimmung der Ärzte sowie gegen ein „Herunterfahren des öffentlichen sozialen Gesundheitssystems“ aus.

Komitee berät über weitere Schritte

Zu den Forderungen gehört auch ein „Bekenntnis zur Ausbildung in den Gemeindespitälern“ (zuletzt wurde wiederholt beklagt, dass Turnusärzte in Wiener Spitälern wegen Personalmangels nicht mehr angemessen ausgebildet werden können) sowie die Umsetzung der „vereinbarten Strukturmaßnahmen“ – etwa des Ausbaus der Notaufnahmen. Denn es gebe zu wenig Aufnahmen, in denen auch Betten zur stationären Aufnahme vorhanden seien. Szekeres: „Und dort, wo es die Betten gibt, gibt es zu wenig Personal, sie zu bespielen.“ Sollte der KAV diese Forderungen nicht erfüllen, werde das Aktions- und Streikkomitee der Ärztekammer bereits am heutigen Dienstag erneut tagen, um über die nächsten Protestmaßnahmen zu beraten.

Wehsely: „Unerfüllbare Bedingungen“

Kritik an dem Streik der Ärzte übte einmal mehr Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). „Wenn es der Ärztekammer tatsächlich um eine Lösung geht, dann darf es hier auch keine weitere Gesprächsverweigerung geben“, sagt Wehsely. Dass der Streik stattfinden wird, habe sich „klar abgezeichnet“. Es sei die Verantwortung der Führung, hier zu Lösungen zu kommen und die „Eskalationsschraube“ zurückzudrehen. Für Mittwoch habe der KAV nun zu einem weiteren Treffen geladen. Allzu optimistisch sei sie allerdings nicht, da sie „Signale“ habe, dass Teile von Vertretern der Ärztekammer „das weitere Drehen der Eskalationsschraube wollen und nicht wollen, dass es zur Lösung kommt“. Sie habe Hinweise, dass beim heutigen Treffen des Streikkomitees Beschlüsse gefasst würden, „die sozusagen Bedingungen formulieren, die nicht erfüllbar sind“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2016)

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