Wo Sitzenbleiben abgeschafft ist

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Politisch ist der Vorschlag noch umstritten – und doch haben schon jetzt einige heimische Schulen das Sitzenbleiben abgeschafft und Modulsysteme eingeführt.

Graz/Wien. Es sei schade, bedauert Gerda Lichtberger, dass die gegenwärtige Diskussion rund um das Sitzenbleiben vorrangig auf einer plakativen, parteipolitischen Hickhack-Ebene ablaufe. Lichtberger ist Direktorin des Ursulinen-Gymnasiums in Graz. Bereits vor drei Jahren hat die Schule die derzeit heiß umstrittenen Pläne von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) umgesetzt – und das Repetieren abgeschafft. Zumindest fast: „Wenn ein Schüler fünf oder mehr Nicht genügend hat, muss er weiterhin die Klasse wiederholen“, erklärt Lichtberger. Weniger „schwere Fälle“ haben die Chance, trotzdem aufzusteigen.

Ein ganzes Schuljahr wiederholen zu müssen ist für die Pädagogin nämlich „nicht nachvollziehbar“. Die betroffenen Schüler – es sind am Grazer Gymnasium zwischen zehn und 15 pro Jahr – müssen nur in den betroffenen Gegenständen singuläre Nachprüfungen absolvieren.

Basis ist ein Modulsystem aus den normalen Unterrichtsfächern und individuell wählbaren Vertiefungsmodulen. Benotet wird jedes Semester (es gibt also keine Schulnachricht zur Halbzeit). Steht ein Schüler in einem Modul auf Nicht genügend, hat er im nächsten Semester drei Wochen Zeit, um eine Nachprüfung über den Semesterstoff (und nicht wie sonst den des gesamten Schuljahrs) positiv abzulegen. Schafft er es nicht, muss er im folgenden Semester noch einmal antreten. „Es hat den Vorteil, dass ein Schüler nicht aus seinem Klassenverband gerissen wird und den Kontakt zu seinen Freunden nicht verliert“, sagt Lichtberger im Gespräch mit der „Presse“.

Neues Dachmodell geschaffen

Erst im Frühjahr haben Lichtberger und ihre Kollegen aus anderen österreichischen Modulsystemschulen ein Dachmodell entwickelt, das das flexible Unterrichtsmodell aus dem Status eines Schulversuchs zu einer Regelform machen soll. Argumentiert wird unter anderem mit einer besseren Vorbereitung auf das Prüfungssystem an den Universitäten.

Auch einige Wiener Schulen haben den Schulversuch bereits gestartet. Am BRG 19 in der Krottenbachstraße etwa wird seit dem Schuljahr 2003/04 von der 6. bis zur 8. Klasse nach einem Modulsystem unterrichtet. Die einzelnen Kurse sind nicht aufbauend und in sich abgeschlossene Einheiten. In welcher Reihenfolge sie absolviert werden, bleibt den Schülern überlassen. Nur neue Fremdsprachen wie Französisch und Spanisch sind von der Regelung bisher noch ausgenommen.

Wird ein Modul negativ abgeschlossen, hat der Schüler zu Semesterende zwei Mal die Möglichkeit, eine Prüfung über den gesamten Stoff abzulegen. „Es gibt also insgesamt drei Chancen, den Kurs zu bestehen, bevor er wiederholt werden muss“, sagt Georg Latzke Direktor des BRG 19.

Bis zu zwei negativ absolvierte Kurse dürfen sich die Schüler überhaupt bis zur Matura aufheben, erst dann müssen sie nachgeholt werden. Um zu verhindern, dass Schüler in der letzten Schulstufe zu viele negative Kurse haben, gebe es bei „pädagogischen Sonderfällen“ individuelle Förderprogramme zur Unterstützung des Schülers, sagt Latzke.

Selbstständiges Nachlernen

Ein ähnliches System gibt es an der BHAK im oststeirischen Weiz. Dort sind die Schüler im Fall eines Nicht genügend allerdings gefordert, den Stoff selbstständig nachzuholen. Unterstützt werden sie vom Lehrer, mit dem individuelle Fördermaßnahmen besprochen und auch schriftlich festgehalten werden. Nur wenn die Vereinbarungen eingehalten werden, darf der Schüler erneut eine Prüfung über den Stoff ablegen.Leitartikel, Seite 29

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2009)

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