Alexander Wrabetz lobt die neue ORF-Direktorenmannschaft als "Team der absoluten Kompetenz". Anderen fehlt frischer Wind von außen.
Noch bevor am Donnerstag der ORF-Stiftungsrat tagte, ließ „ZiB 2“-Moderator Armin Wolf seinem Unmut freien Lauf. Auf Twitter schrieb er: „Jeden Tag beweisen ORF-JournalistInnen mit ihrer Arbeit ihre Unabhängigkeit. Aber diese Kuhhändel an der Spitze ruinieren das Image.“
Der Kuhhandel der ORF-Führung mit den Entscheidungsträgern in der Politik ging in der Nacht auf Donnerstag ohne breiten Konsens aus. Die ÖVP hatte zu hoch gepokert, favorisierte mit Roland Weissmann den Büroleiter und einen der engsten Vertrauten von Richard Grasl und wünschte sich zusätzlich einen Generalsekretär und den Radiodirektor. Doch am Ende ging sie leer aus.
ORF-General Alexander Wrabetz entschied sich in letzter Sekunde, Andreas Nadler, die langjährige Nummer zwei in der Finanzdirektion und ein enger Vertrauter, zum Kaufmännischen Direktor zu machen. Im Stiftungsrat erhielt der ORF-Chef für sein „Team der absoluten Kompetenz“ (© Wrabetz) – Nadler (Finanzen), Kathrin Zechner (Programm), Michael Götzhaber (Technik), Monika Eigensperger (Radio) – breite Zustimmung. 23 von 35 Räten stimmten dafür, darunter zwei bürgerliche (die Vertreter von Tirol und Vorarlberg), zehn stimmten dagegen, zwei bürgerliche Räte enthielten sich (der Vertreter des Landes Salzburg und Franz Medwenitsch). Das Stimmverhalten entspricht somit der Regenbogenkoalition (Rot, Grün, Neos, FPÖ, Unabhängige und zwei ÖVP-Vertreter), die Wrabetz schon 2006 ins Amt gehievt hat.
Noch breiter fiel die Zustimmung bei der Abstimmung über die neun Landesdirektoren aus: 30 der 35 Räte stimmten dafür. Für Vorarlberg wurde Markus Klement wiederbestellt, in Tirol Helmut Krieghofer verlängert. In Salzburg wird der noch unter der früheren SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller bestellte Roland Brunhofer auf Wunsch von ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer durch ORF-III-Chefredakteur Christoph Takacs ersetzt. In Oberösterreich geht Landesdirektor Kurt Rammerstorfer in die Verlängerung, Gleiches gilt für die Direktorenverträge von Gerhard Draxler (Steiermark), Karin Bernhard (Kärnten), Norbert Gollinger (NÖ) und Brigitte Wolf (Wien). Im Burgenland wird Landesdirektor Karlheinz Papst auf Wunsch der Landes-SPÖ von Werner Herics abgelöst. Neos-Stiftungsrat Hans-Peter Haselsteiner blieb der Abstimmung fern, um Unmut über den Austausch von Brunhofer und Papst auszudrücken. Auch der grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher nannte dieses Vorgehen „skandalös“, stimmte letztlich aber dafür.
ÖVP sieht „Kriegserklärung“
Wie wenig der ÖVP das Ergebnis gefällt, zeigte so manche Reaktion. Schon vor der Sitzung war zu hören, dass man Wrabetz' fehlendes Entgegenkommen als „Kriegserklärung“ versteht. Der unabhängige Stiftungsrat Franz Küberl berichtete, er habe kurz nach der Abstimmung ein wütendes SMS von einem hochrangigen ÖVP-Politiker erhalten. Auch wenn er sich selbst „mehr Frischblut von außen“ gewünscht habe, betonte er: „Ich bin als Stiftungsrat dem ORF verpflichtet, sonst niemandem.“ Tatsächlich ist das Direktorium „Wrabetz III“ nur mit ORF-internen Führungskräften besetzt. Verhandelt werden muss noch, welche Kompetenzen Kathrin Zechner künftig behält, die statt wie bisher das komplette Fernsehen ab Jänner nur das Programm verantwortet. Ganz kampflos wolle sie die Information, die bisher ihr unterstellt war und die Wrabetz nun in der Generaldirektion ansiedeln will, nicht aufgeben, heißt es. Mit Monika Eigensperger hat das Direktorium eine Frau mehr als bisher.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2016)