ORF-Direktorenwahl für Redakteure "unwürdiges Schauspiel"

ORF-Stiftungsrat: Team von ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz mit klarer Mehrheit bestellt
ORF-Stiftungsrat: Team von ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz mit klarer Mehrheit bestellt(c) ORF (Thomas Ramstorfer)
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Der Redakteursrat des ORF begrüßt die Bestellung von Finanzdirektor Andreas Nadler – und übt heftige Kritik an parteipolitischen Besetzungen. Vor allem jene im Burgenland sei "ein katastrophales Zeichen für den unabhängigen Journalismus“.

Dass die Bestellung des neuen Direktoriums von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Stiftungsrat, dem obersten Gremium des ORF, zum Politikum wurde, sorgt für Kritik vonseiten der ORF-Redakteure. Der Hintergrund: Die ÖVP ging mit ihren Besetzungswünschen für die zu vergebenden Direktorenposten leer aus, was für Unmut in der Koalition sorgt. Dieser versuchte parteipolitische Postenschacher ist für die ORF-Redakteure ein "unwürdiges Schauspiel", wie sie in einer Aussendung schreiben. Namentlich nennen sie die "mehr oder weniger öffentlichen Forderungen der Parteien nach Posten und Positionen im ORF im Gegenzug für die Zustimmung zum Direktoriums-Paket und der zur Abstimmung anstehenden Programmentgelt-Anpassung". Die Diskussionen über die Suche nach Kandidaten "war extrem schädlich für das Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass es vor allem die Politiker sind, die sich das Personal im ORF aussuchen können", heißt es in dem Schreiben.

Besonderen Wirbel gab es im Vorfeld um die Besetzung des Finanzdirektors. Die ÖVP stellte Anspruch auf die Nachbesetzung von Richard Grasl, der den Küniglberg mit Ende des Jahres verlässt. Doch gegen den Widerstand des bürgerlichen "Freundeskreises" im Stiftungsrat setzte Wrabetz Andreas Nadler durch. Er war in der Vergangenheit Büroleiter des früheren bürgerlichen Finanzdirektors Peter Radel sowie von Alexander Wrabetz während dessen Zeit als Kaufmännischer Direktor. Seit 2003 ist Nadler Leiter der ORF-Finanzwirtschaft.

Stiftungsrat solle im Sinne des ORF entscheiden

Die Bestellung Nadlers wird vom ORF-Redakteursrat "ausdrücklich begrüßt", ebenso, dass mit Programmdirektorin Kathrin Zechner und Radiodirektorin Monika Eigensperger zwei Frauen im Direktorium vertreten sind. Positiv sehen sie auch, dass der Stiftungsrat am Donnerstag nicht strikt nach "Freundeskreisen" abgestimmt hat, denn zwei bürgerliche Räte scherten aus und stimmten für das Team von Wrabetz. Die Redakteure wünschen sich, dass alle Gremiumsmitglieder entscheiden wie der unabhängige Rat Franz Küberl: "Ich bin als Stiftungsrat dem ORF verpflichtet, sonst niemandem", hatte dieser nach der Sitzung gesagt.

"Der Generaldirektor hat im Sinne des Unternehmens sein Team im Stiftungsrat durchgebracht, nicht im Sinne der Besetzungswünsche von - egal welchen – Parteien", so der Redakteurstat. "Wir appellieren an alle Verantwortlichen, dass auch bei künftigen Abstimmungen – etwa über die anstehende Gebührenanpassung – keine politischen Gegengeschäfte gemacht werden und die Stiftungsrats-Mitglieder im Sinne des ORF entscheiden, so wie es das ORF-Gesetz verlangt."

Heftige Kritik an Landesstudio-Umbesetzungen

Die Besetzungs-Vorgänge in den Landesstudios sieht der Redakteursrat besonders kritisch. Denn der Salzburger Landesdirektor Roland Brunhofer musste auf Wunsch des Salzburger Landeshauptmanns Wilfried Haslauer (ÖVP) seinen Sessel für Christoph Takacs räumen. Politischem Druck wurde auch im Burgenland nachgegeben: Dort wird Landesdirektor Karlheinz Papst auf Wunsch der Landes-SPÖ von Werner Herics abgelöst.

"Die Reputation des Landesstudios leidet, weil offenkundig partei-politische Geschäfte gemacht werden", glauben die ORF-Redakteure. Die situation im Burgenland sei "besonders krass": "Die tadellose Berichterstattung des Landesstudios Burgenland über die Flüchtlingskrise wird dem Vernehmen nach von der Landes-SPÖ als Begründung genommen, warum sie bei der letzten Wahl drei Mandate verloren hat. In der Folge fordert Landeshauptmann Hans Niessl die Ablöse des seit 18 Jahren amtierenden Landesdirektors Karl-Heinz Papst."

"Wer nicht spurt, muss gehen"

"Die Redakteursvertreter des ORF halten das für ein katastrophales Zeichen für den unabhängigen Journalismus", schreibt der Redakteursrat. "Wer nicht spurt und im Sinne der Landeshauptmann-Partei arbeitet, muss gehen. Dass eine Führungskraft im ORF abgezogen wird, weil die Berichterstattung unabhängig und kritisch war, ist ein einmaliger Vorgang."

Redakteursrat

Der ORF-Redakteursrat hat in den vergangenen Jahren immer wieder seine Stimme im Kampf gegen parteipolitischen Einfluss im ORF sowie gegen parteipolitische Besetzungen im Unternehmen erhoben. Vorsitzender ist Dieter Bornemann.

(Red./APA)

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