Eine Wanderung, vorbei an Schauplätzen alter Sagen, an Murmeltieren und freilaufenden Schweinen bis zu einer Mure voller Edelsteine: Der Smaragdweg im Habachtal im Nationalpark Hohe Tauern.
Steinreich werde man sein, wenn man von dieser Wanderung zurückkehrt. Gut, das ist ein Versprechen, für das man diese kleine Wanderung im Pinzgauer Habachtal gern auf sich nimmt. Immerhin ist das Habachtal der einzige Ort mit einem relevanten Smaragdvorkommen in Mitteleuropa, überhaupt gilt es als die mineralreichste Region der Ostalpen. Und spaziert man mit ortskundiger Begleitung den Smaragdwanderweg entlang, dann hört man schnell die schönen Geschichten und Legenden, die sich um die grünen Edelsteine ranken. Zum Beispiel vom Stern vom Habachtal, einem Smaragd von 180 Karat, der in den 1950er-Jahren dort gefunden worden ist und der einen regelrechten Smaragdrausch ausgelöst hat. Bis zur Gründung des Nationalparks soll es dort wie im Wilden Westen zugegangen sein, als Smaragdsucher aus aller Welt mit Krampen, Schaufeln und sogar Feuerwehrschläuchen das Erdreich umgearbeitet haben.
Heute sind davon nur noch die Geschichten übrig. Heute darf man nur mehr in einer Mure am Ende des Weges selbst Smaragde aus dem lehmigen Boden waschen, rund zwei Stunden spaziert man bis dorthin einen Wanderweg entlang. Dieser startet gleich nach dem Habachtal-Parkplatz in Bramberg und führt am stäubenden Habach entlang. Die Wanderung führt an diversen Themen- und Lehrpfad-Stationen vorbei, an einem Wasserspielplatz, an einem Kletterbaum oder Stationen zu den Sagen der Gegend. Zum Beispiel von den Venedigermandln, den kleinen Bergkobolden, die man überall dort finden soll, wo im Berg ein Schatz verborgen liegt.
Murmeltier, Schwein und Esel. Weiter schlängelt sich der Weg nach der Habachbrücke durch ein Gebiet mit sprudelnden Quellen. Über einen Steg auf einen großen Steinblock kann man dem wilden Bergbach zuschauen, danach geht es weiter zur nächsten Station, an der, auf Knopfdruck, die Sage von der Fazenwand erzählt wird. Bald, angekommen im Almgebiet, sind schon die Hütten in Sicht – aber zuvor lassen sich noch unerschrockene Murmeltiere beobachten, freilaufende Schweine kommen einem im Galopp entgegen, und auf einer Weide stehen Esel mit ihrem Nachwuchs.
Wie schön! Aber eigentlich wären wir wegen der Steine hier. Kurz nach dem Gasthaus Alpenrose (dort kann man das nötige Werkzeug ausborgen), am Ende des Smaragdwegs, befindet sich also die Mure, in der die Suche erlaubt ist. Im Smaragdbergwerk darf nur mehr Familie Steiner Smaragde aus dem Stollen abbauen – sie hat die Rechte daran seit fast 20 Jahren gepachtet. Im nahen Bramberg haben die Steiners – nomen est omen – eine beeindruckende Sammlung an alpinen Mineralien und Edelsteinen ausgestellt. Alois Steiner, 76, ist schließlich so etwas wie ein Urgestein unter den Pinzgauer „Stoaklaubern“.
Seit gut 70 Jahren suche er nach Smaragden, seit er als Fünfjähriger bei einer Bergtour mit seinem Vater den ersten Bergkristall gefunden habe, erzählt er auf dem Weg zur Mure in Gummistiefeln, Krampen und Rechen über der Schulter. Dort zeigt er dann, wie man richtig sucht. Er leitet den Fluss um, klemmt das Lochblech ins Wasser, schlägt Brocken lehmiger Erde – diese sei am aussichtsreichsten – aus der Mure, um die Steine herauszuwaschen.
Reich an Steinen, immerhin. Wieder und wieder muss man dann Steine und Erde am Blech auseinanderreiben, auf der Suche nach leuchtendem Grün. „Da! Schau genau!“ Alois Steiner sieht Smaragde, die alle anderen übersehen. Kleine Bröckchen, durchscheinend grün, „eindeutig!“, sagt er nach dem Blick durch die Lupe. Jetzt findet man sie im Minutentakt, die kleinen grünen Steine. Glaubt man. Alles, was glänzt, wird aufgehoben. Die dunklen Grünen sind „nichts“, sagt einem der Steinkenner nachher. Der Rest? Ein paar Quarze und kleine Bröckchen Pyrit, das Narrengold. Und, immerhin, zwei, drei, kleine Smaragde. Steinreich? Naja, da enttäuscht einen der Blick auf die Preise der kleinen Steinchen, die im Gasthaus Alpenrose denen verkauft werden, die selbst nichts finden. Aber reich an Steinen, ja, immerhin.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2016)