Am besten wäre ein ehrlicher Konkurs

Die heutige ORF-Enquete im Parlament ist eine Farce. Vielleicht ist sie sogar der Anfang vom Ende des ORF.

Heute profiliert sich das Parlament als Ort der fokussierten Unnötigkeit: Man lädt zur ORF-Enquete. Die Forderung nach einer solchen öffentlichen Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich ist von der Plattform „Rettet den ORF“ gefordert und von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer initiiert worden. „Falter“-Chefredakteur Armin Thurnher, einer der journalistischen Unterstützer der Initiative, bekommt heute zehn Minuten Redezeit, für den Anführer der „Rettet den ORF“-Gruppe, Wolfgang Langenbucher, konnten Kollegen bei Hofe eine Platzkarte auf der Galerie erbetteln.

Der Medienprofessor mag sich trösten: Ob er heute spricht oder nicht, ist vollkommen unbedeutend. Ein Statist mehr oder weniger in der größten medienpolitischen Farce der jüngeren Republiksgeschichte macht das parlamentarische Unkraut auch nicht fett.

Nur kurz zur Erinnerung: Ausgangspunkt der „Rettet den ORF“-Aktivitäten war der Versuch der SPÖ-Regierungsmannschaft um Werner Faymann, noch vor dem Sommer für ein neues ORF-Gesetz zu sorgen, dessen einzig sinnvoller Satz, der noch heute seine Berechtigung hätte, lautete: Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes ist die gegenwärtige ORF-Geschäftsführung Geschichte.

Der Putsch misslang, Faymanns Wunschkandidat zierte sich, man arrangierte sich mit dem Amtsinhaber. Alexander Wrabetz hat seinen Kopf gerettet, und wie es aussieht, werden einige Mitglieder seiner Geschäftsführung durch habituelle Sklavennaturen ersetzt – der Chefredakteur des niederösterreichischen Landesfernsehhauptmanns soll, wie man hört, Finanzdirektor werden, weil er die Zahl der Auftritte seines Gönners fehlerfrei bis zehn hersagen kann. Gemeinsam mit dem obersten Unterwürfigen darf er dann bis 2011 – und vielleicht sogar darüber hinaus – so tun, als wären sie es, die den Konkurs des Unternehmens verhindern.


Dabei ist es die Politik, die in Überhöhung ihrer bisherigen Verbrechen am ORF die Insolvenz, die die notwendige – und richtige – Konsequenz seiner gewöhnlichen Geschäftstätigkeit wäre, in Form von „Gebührenrefundierungen“ so lange hinauszögert, wie sich die höhnisch „Direktoren“ genannten Erfüllungsgehilfen wohlverhalten.

Aus der ÖVP hat man lange nichts zum Thema gehört – Hauptsache, man kriegt den Wunschkandidaten als Finanzdirektor unter und kann ihn mit wissendem Lächeln und akzentfrei CFO nennen. Vom ORF haben die Schwarzen eben noch nie etwas verstanden, was zum letzten Mal vor einem halben Jahrhundert ein Glück für das Unternehmen gewesen ist.

Gewiss, die Vertreter der Europäischen Union, des Österreichischen Zeitungsverbandes und viele andere Redner werden gute Argumente, elaborierte juristische Expertisen und Berichte aus aller Herren Länder anzubieten haben. Aber niemand wird die Gründe für den aktuellen desaströsen Zustand des ORF benennen: die Parteien und die ORF-Geschäftsführung. Das geltende Gesetz hat seine Schwächen, vor allem in der Ausgestaltung der Aufsichtsgremien, und SPÖ-Staatssekretär Ostermayer hat in diesem Punkt einen plausiblen Alternativvorschlag vorgelegt. Aber das ist wohl nur die wohlklingende Ouvertüre zum letzten Akt der Zerstörung des ORF, der zynischerweise als große Anstrengung zu seiner Rettung inszeniert wird.


Dass die ORF-Führung immer auch bis zu einem gewissen Grad den politischen Zustand des Landes gespiegelt hat, stimmt. Darum ist die gegenwärtige ja auch die schlechteste, die jemals im Amt gewesen ist. Allein Alexander Wrabetz' primitive Drohung im Vorfeld des nächsten Aufsichtsrates, dass er ohne frisches Geld eben auf öffentlich-rechtliches Programm verzichten müsse, während das Engagement der Societykoryphäe Dominic Heinzl als Ausweis öffentlich-rechtlichen Offensivdrangs verkauft wurde, wäre im wirklichen Leben ein Grund für die Auflösung seines Dienstvertrags. Aber im Niemandsland zwischen Politik und ORF ist alles erlaubt, was ausgepackelt wird.

Mit der Strategieänderung der SPÖ-Regierungsfraktion von Putsch auf Ersticken durch Umarmung ist die letzte Chance des ORF dahin: ein ehrlicher Konkurs und die Neugründung mit öffentlich-rechtlichem Profil. Oder aber die Politiker bauen auf der grünen Wiese den Sklavenfunk auf, den sie sich vorstellen. Dann sollten sie auch dazu stehen und sich nicht auf die Lasten der Vergangenheit ausreden – die im Vergleich zu heute ja ohnehin ein goldenes Zeitalter gewesen ist.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2009)

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