Jetzt geht es um Merkels Zukunft

APA/dpa/Michael Kappeler
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Berlin-Wahl. Die CDU verliert erneut stark. Für Kanzlerin Angela Merkel bedeutet das eine Personaldebatte – mit open end.

Die Umfragen hatten Schlimmes befürchten lassen für die Partei von Angela Merkel – sie sollten recht behalten: Die CDU fiel am Sonntag bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus erneut unter 20 Prozent. Das Ergebnis war sogar noch schlechter als vor zwei Wochen in Mecklenburg-Vorpommern. Dort kam sie auf 19 Prozent, in Berlin wurden es 17,6 Prozent, gut fünf Prozentpunkte weniger als 2011. Immerhin wurde die Union dieses Mal nicht von der AfD überholt – sie bleibt zweitstärkste Partei, wenn auch mit dem historisch schlechtesten Ergebnis.

Die SPD verteidigte Platz eins, aber mit Verlusten. Am Ende blieben 21,6 Prozent übrig. An dritter Stelle liegt die Linke mit 15,6 Prozent, vierter wurden die Grünen mit 15,2 Prozent. Die rechtspopulistische AfD blieb mit 14,2 Prozent hinter den (eigenen) Erwartungen zurück, schaffte es aber ins zehnte Landesparlament. Die FDP errang 6,7 Prozent der Stimmen, die Piraten müssen sich verabschieden. Im Mittelpunkt stand jedoch die CDU, in der es nun darum geht, die Schuldfrage zu klären.

Lag es am blassen Spitzenkandidaten, Frank Henkel? Oder doch an Merkel? Fest steht: Mit jeder Wahlniederlage wachsen die Zweifel an der einst unumstrittenen Kanzlerin. In bundesweiten Umfragen ist die Union auf 32 Prozent zurückgefallen. Bei der Wahl 2013 hatte Merkel noch 41,5 Prozent geholt. Die bayrische CSU verlangt seit Wochen einen Kurswechsel der Kanzlerin, hin zu einer Obergrenze bei den Flüchtlingen. In der CDU hielt man sich mit Kritik an der Parteichefin zurück – man wollte noch die Berlin-Wahl abwarten.

Doch mit diesem Ergebnis steigt der Druck auf Merkel. Wenn sie weiter nicht zu Zugeständnissen bereit ist, könnte es ein Jahr vor der Bundestagswahl zum Aufstand kommen. Oder – auch das ist nicht ausgeschlossen – zum Rückzug. Denn die Kanzlerin hat offengelassen, ob sie noch einmal kandidiert. Von Merkels Krise profitiert auch Vizekanzler Sigmar Gabriel: Dass die SPD in Mecklenburg-Vorpommern fünf Prozentpunkte und in Berlin noch mehr verloren hat, geht im allgemeinen Abgesang auf die CDU unter. Dabei steht in diesen Tagen auch die Karriere des Vizekanzlers auf dem Spiel.

Auch SPD-Chef Gabriel muss zittern

Bei einem Konvent in Wolfsburg stimmt die SPD heute, Montag, über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta ab, für das sich Gabriel als Wirtschaftsminister vehement eingesetzt hat. Bekommt Ceta keine Mehrheit, könnten die Tage des SPD-Chefs gezählt sein. Geht das Abkommen durch, darf sich Gabriel Hoffnungen machen, bei der Wahl 2017 Spitzenkandidat zu werden.

In der SPD ging man zuletzt davon aus, dass sich die Delegierten mehrheitlich für den Freihandel mit Kanada aussprechen. Allerdings könnten die Demos gegen Ceta und das EU-USA-Abkommen TTIP am Samstag in sieben deutschen Städten noch einen Umschwung bewirkt haben. Die Berliner SPD hatte sich schon davor gegen Ceta positioniert: Man wollte nicht riskieren, dass sich die Demos einen Tag vor der Wahl auf das Ergebnis auswirken. Das scheint gelungen zu sein.

Leichter wird es für Bürgermeister Michael Müller und die SPD aber nicht: Ein Zweierbündnis geht sich nicht mehr aus, weder mit der ungeliebten CDU noch mit den Grünen, Müllers Wunschpartner. Am wahrscheinlichsten ist nun Rot-Rot-Grün, also eine Koalition mit den Grünen und der Linkspartei.

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