ORF-Enquete: "Hollywood raus, Österreich rein"

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Konkrete Hinweise auf das neue ORF-Gesetz gab es bei der parlamentarischen Enquete keine. Stattdessen wurde über Qualität, Gebühren und Privatisierungs-Fantasien diskutiert.

Die erwarteten Hinweise zu Details des neuen ORF-Gesetzes, das bis 19. Dezember stehen soll, blieben bei der pralamentarischen Enquete aus. Parteienvertreter, Medienveranstalter und Experten tauschten vor allem altbekannte Standpunkte aus.

Uneinigkeit über die Frage der Finanzierung herrschte am Vormittag bei der Politik vor. Medien-Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) betonte einmal mehr, es müsse eine Refundierung der Gebührenbefreiungen geben - gekoppelt an die Forderung nach mehr österreichischen Inhalten und Film im ORF. Der ORF soll seiner Meinung nach "möglichst populär" sein: "Es muss Sendungen für Minderheiten geben und es muss Sendungen für Mehrheiten geben". Für das ORF-Gesetz kündigt Ostermayer eine klare Festlegung zum Online-Auftrag an, Details verriet der Medien-Staatssekretär aber nicht.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf bekannte sich in seiner Rede ebenso wie Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP), zum dualen System mit einem "starken, unabhängigen ORF, den wir nicht infrage stellen wollen" sowie mit "starken und noch zu stärkenden Privatsendern".

"ORF soll österreichischer werden"

"Wir wollen nicht, dass Österreich eine deutsche Medienkolonie wird", sagte SPÖ-Mediensprecher Josef Cap. Er bekannte sich zur Dualität, allerdings nicht zum Nachteil des ORF: "Private ja - aber nicht den ORF privatisieren", so Cap. Wenn man den ORF auf einen Verkündigungssender ohne Unterhaltung reduzieren wolle, dann könne man ihn gleich schließen.

Die FPÖ wünscht sich, dass der ORF österreichischer werden soll: FPÖ-Mediensprecher Harald Vilimsky nutzte einen Teil seiner Redezeit, um das Fernsehprogramm von ORF1 vorzulesen. Die Rundfunkgebühren sollen durch eine Medienförderung ersetzt werden - die dann jeder, der öffentlich-rechtliche Inhalte zeigt, bekommen kann, so Vilimsky.

BZÖ: ORF1 privatisieren

BZÖ-Mediensprecher Stefan Petzner stellte ein anderes Modell vor: Das BZÖ würde Gebühren abschaffen, ORF1 privatisieren und mit dem lukrierten Geld ORF2 zu einem "starken" öffentlich-rechtlichen Sender machen. Besonderes Anliegen sind Petzner die Landesstudios: Für diese würde er die Werbebestimmungen lockern.

Dieter Brosz, Mediensprecher der Grünen, lobte die redaktionelle Unabhängigkeit, die der ORF in den vergangenen zwei Jahren gewonnen habe. Die kritische Berichterstattung mache auch vor dem eigenen Haus nicht halt. Kritik gab es für Bund und Länder, die an den Rundfunkgebühren mitkassieren, sowie am parteipolitischen Einfluss in den ORF-Gremien.

ORF1 ist kein öffentlich-rechtlicher Sender

Als letzte Redner am Vormittag sprachen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, VÖZ-Präsident Horst Pirker und Christian Stögmüller, Präsident des Verbundes österreichischer Privatsender.

Für den ORF-Generaldirektor müsse der Sender "die starke Stimme Österreichs in einer fragmentierten digitalisierten Welt" bleiben. Als Konkurrenten sieht Wrabetz nicht die österreichischen Privatsender ATV und Puls4, sondern vor allem die großen deutschen Medienkonzerne. Er fordert weder eine Lockerung der Werberegelungen, noch eine Gebührenerhöhung, aber eine Gebührenrefundierung. Der ORF könne nur dual finanziert werden und um den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen, brauche man "mindestens zwei Vollprogramme".

VÖZ-Präsident Horst Pirker hält die Gebührenfinanzierung des ORF prinzipiell für gerechtfertigt, aber nur, wenn der ORF seinen Auftrag erfülle. Das ORF-Programm müsse komplementär zu bestehenden Angeboten sein. Staatliche Beihilfen für "more of the same"  einzusetzen, sei wettbewerbsverzerrend. ORF1 und Ö3 seien aus dieser Perspektive keine öffentlich-rechtlichen Programme, so Pirker.

Dass das Programm von ORF1 dem eines Privatsender zu sehr ähnle, kritisierte auch Stögmüller. "Hollywood raus, Österreich rein", fordert er. Der ORF mache den Privaten alles streitig, befinde sich in einer "Geiselhaft der Quote", er solle unabhängiger vom Quotendruck gemacht werden. Nicht die Quote, sondern der öffentlich-rechtliche Auftrag solle im Mittelpunkt stehen.

ORF muss mobile Nutzung ermöglichen

Neue Medien sind beherrschendes Thema des zweiten Themenblocks, in dem die Zukunftsschancen des öffentliche-rechtlichen Rundfunks aus europäischer Sicht behandelt wurden: Inhalte für das Internet und für die mobile Nutzung bereitzustellen sei Grundaufgabe eines öffentlich-rechtlichen Anbieters, meint Jane Vizard von der Europäischen Rundfunkunion (EBU).

Generalisten-Programme würden aber weiterhin das Rückgrat der Medienlandschaft bilden, so Daniel Eckmann, stellvertretender Generaldirektor des Schweizer Fernsehens.

ZDF-Intendant Markus Schächter schlug sich in der Debatte auf die Seite des ORF. Er appellierte an die österreichischen Parlamentarier, dem ORF die Möglichkeiten einzuräumen, die er braucht. So dürften etwa die Online-Angebote von öffentlich-rechtlichen Sendern nicht infrage gestellt werden. Es wäre "außerordentlich fatal", wenn ORF nicht als "einer der Leuchttürme in der medialen Flut" erhalten bleibe.

Philip Lowe, Chef der EU-Generaldirektion Wettbewerb, gab unterdessen Einblick in das laufende EU-Beihilfenverfahren um den ORF, bei dem bis Ende Oktober eine Einigung herbeigeführt werden soll. Der EU-Vertreter plädierte für eine Vorabprüfung bei der Einführung neuer Dienste öffentlich-rechtlicher Medienunternehmen. Diese Prüfung soll von "nationalen, unabhängigen Behörden" vorgenommen werden.

Proteste vor Parlament: "Qualität statt Proporz"

Schon vor Beginn der Enquete versammelten sich vor dem Parlament trotz Nieselregens einige Unterstützer der Initiative "Pro ORF", um für "Qualität statt Proporz" zu demonstrierten. Die Initiative forderte nachhaltige Zukunftskonzepte statt "Schrebergarten-Mentalität und Postenschacher" und sprach sich dabei sowohl für die Aufrechterhaltung eines umfassenden ORF-Leistungsspektrums aus als auch für die Einhaltung des Prinzips der Unabhängigkeit.

Was bedeutet Enquete für ORF-Gesetz?

SPÖ und ÖVP können nach der ORF-Enquete ihre Verhandlungen über die geplante Novellierung des ORF-Gesetzes wieder aufnehmen.

Einigkeitgab es zuletzt lediglich in der Frage der EU-rechtlichen Vorgaben. Bei der Größe und dem Bestellmodus der ORF-Gremien, der Frage der ORF-Finanzierung und der Werbemöglichkeiten lagen SPÖ und ÖVP hingegen noch weit auseinander.

Erste Bestrebungen der Regierung, die einen höheren Einfluss in den ORF-Gremien und einen Austausch des ORF-Direktoriums vorsahen, wurden vor dem Sommer durch zahlreiche öffentliche Proteste vereitelt.

In Folge der öffentlichen Entrüstung sprachen sich SPÖ und ÖVP damalsfür eine parlamentarische Enquete zum ORF aus.

(APA/her)

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