Türkei: Terror-Prozess gegen "Cumhuriyet"-Ex-Chef gestartet

Can Dündar hat sich ins Ausland abgesetzt.
Can Dündar hat sich ins Ausland abgesetzt.APA/AFP/OZAN KOSE
  • Drucken

Behörden schlossen die Öffentlichkeit von dem Verfahren aus. Berichterstattung sei zu einer Straftat geworden, sagt der Journalist und Mitangeklagte Gül.

In Abwesenheit von Can Dündar hat in der Türkei der Prozess gegen den Ex-Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" wegen angeblicher Terrorunterstützung begonnen. Gemeinsam mit Dündar ist "Cumhuriyet"-Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül angeklagt, "eine bewaffnete Terrororganisation vorsätzlich und willentlich unterstützt" zu haben.

Zum Auftakt am Mittwoch schloss das Gericht in Istanbul die Öffentlichkeit von dem Prozess aus.

Anwalt Bülent Utku sagte, die Anklage fordere bis zu zehn Jahre Haft für seine beiden Mandanten. Dündar hatte sich im Juli ins europäische Ausland abgesetzt. Der Prozess wurde von einem Verfahren abgetrennt, bei dem Dündar und Gül im Mai wegen Geheimnisverrats zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden waren. Er soll am 16. November fortgesetzt werden.

Gül sagte der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch, bei dem Verfahren werde dem Journalismus der Prozess gemacht. "Berichterstattung ist zu einer Straftat geworden." Kritik sei in der Türkei kein Grundrecht mehr. "Denn ein Land, in dem mehr als hundert Journalisten im Gefängnis sind, bricht hier einen Rekord. Das zeigt, dass es in der Türkei keine echte Meinungs- und Pressefreiheit gibt." Gül sagte, er sei nicht hoffnungsvoll. "Aber wir werden diesen Kampf weiterführen."

Dündars Frau darf nicht ausreisen

Grundlage für beide Prozesse ist die Veröffentlichung geheimer Dokumente in der "Cumhuriyet", die türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien 2015 belegen sollten. Gegen das Hafturteil haben Dündar und Gül Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, gemeinsame Sache mit der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gemacht zu haben, den die Regierung für den Putschversuch in der Türkei Mitte Juli verantwortlich macht.

Dündar hatte nach dem Putschversuch Mitte Juli und den anschließenden Massenfestnahmen angekündigt, vorerst nicht zurückzukehren. Im vergangenen Monat war er als Chefredakteur zurückgetreten. Der nach dem Putschversuch verhängte Ausnahmezustand habe der Regierung die Möglichkeit gegeben, die Justiz nach ihrem Willen zu kontrollieren, schrieb Dündar damals. "Einer solchen Justiz zu trauen hätte bedeutet, den Kopf aufs Schafott zu legen."

Can Dündars Ehefrau Dilek Dündar besuchte den Prozess am Mittwoch, was direkten Angehörigen der Angeklagten trotz des Ausschlusses der Öffentlichkeit gestattet war. Anfang dieses Monats hatte die türkische Polizei Dilek Dündar an der Ausreise nach Berlin gehindert und am Flughafen in Istanbul ihren Reisepass eingezogen. Can Dündar warf der Regierung vor, seine Ehefrau zur "Geisel" genommen zu haben.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Cumhuriyet-Chefredakteur
Außenpolitik

Der Alternative Nobelpreis geht an kritische türkische Zeitung "Cumhuriyet"

Der Stiftungschef Von Uexküll hob das "unerschrockene Engagement" des Istanbuler Blattes "Cumhuriyet" hervor.
Türkische Journalisten demonstrieren gegen die Inhaftierung von Kollegen.
Außenpolitik

Türkei lässt renommierten Journalist Ahmet Altan frei

Sein ebenfalls festgenommener Bruder Mehmet Altan bleibt in Haft. Die beiden gerieten rund um den Putschversuch ins Fadenkreuz der Justiz.
Erdem Gül und Can Dündar
Außenpolitik

Scharfe Kritik an Journalisten-Urteil in Türkei: "Einschüchterung"

Journalistenverbände und deutsche Politiker sprechen von "Rachejustiz". Auch die US-Regierung zeigte sich besorgt über die Verurteilung.
Can Dündar
Außenpolitik

Türkei: Mehrjährige Haftstrafe für kritische Journalisten

Ein Gericht in Istanbul hat Can Dündar der Veröffentlichung geheimer Dokumente für schuldig befunden. Auch Hauptstadtbüroleiter Gül wurde verurteilt.
Das Urteil gegen Can Dündar (Mitte) sollte heute verkündet werden. Auf den Journalisten wurde vor dem Gerichtsgebäude geschossen.
Außenpolitik

Schüsse auf Erdogan-Kritiker Dündar bei Journalistenprozess

Auf Can Dündar, Chefredaktueur der Zeitun "Cumhuriyet", wurde vor Gericht geschossen, als dieser auf die Urteilsverkündung gegen ihn wartete.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.