American Football: Eine neue Dimension im Hymnenprotest

 Colin Kaepernick zeigt, wie gespalten die USA sind. Diese Familie drückt ihre Sicht der Dinge vergleichsweise harmlos aus.
Colin Kaepernick zeigt, wie gespalten die USA sind. Diese Familie drückt ihre Sicht der Dinge vergleichsweise harmlos aus.(c) Reuters
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Colin Kaepernicks Aktion gegen Polizeigewalt und Rassismus findet Nachahmer. Der Quarterback erhält dafür Morddrohungen. "Es würde mein Ansinnen beweisen."

San Francisco/Wien. Colin Kaepernick kniet, statt wie gewöhnlich zu stehen. Seit einem Vorbereitungsspiel am 26. August hält das der Backup-Quarterback der San Francisco 49ers so, wenn die US-Hymne erklingt. „Ich werde nicht aufstehen, um meinen Stolz für die Flagge eines Landes zu zeigen, das Schwarze und Farbige unterdrückt“, hatte der Sohn eines Afroamerikaners, aufgewachsen bei weißen Adoptiveltern, erklärt.

Just auf der großen Bühne der beliebtesten Sportart der USA hat der NFL-Profi einmal mehr die Gespaltenheit des Landes aufgezeigt. Denn während der Protest immer mehr Nachahmer findet, hat sich Kaepernick auch viele Feinde gemacht. Nun erklärte er, mehrere Todesdrohungen erhalten zu haben. Mit Kritik habe er gerechnet, „an so etwas habe ich aber nicht gedacht“, meinte der 28-Jährige. Was würde wohl geschehen, wenn diese Drohungen wahr werden? Seine Antwort: „Sollte so etwas passieren, würde es genau mein Ansinnen beweisen. Es wäre laut und deutlich, warum es geschehen ist.“

Inzwischen hat sein Protest einen weiteren traurigen Anlass. Am vergangenen Freitag wurde in Tulsa, Oklahoma, der 40-jährige unbewaffnete Afroamerikaner Terence Crutcher erschossen, es ist der jüngste Fall von rassistisch motivierter Polizeigewalt in den USA. „Sie haben auf einen Mann geschossen und ihn getötet und sind um ihn herumgegangen, als würde es sich um kein menschliches Wesen handeln“, lautete Kaepernicks Kommentar zu den schockierenden Videobildern, welche die Polizei veröffentlicht hatte. „Das ist das perfekte Beispiel dafür, worum es geht.“ In den vergangenen beiden Jahren waren in zahlreichen Städten, darunter Ferguson, Baltimore und Cincinnati, unbewaffnete Schwarze von Beamten getötet worden. Kaepernick: „Für mich ist das größer als Football, und es wäre selbstsüchtig von mir, würde ich wegsehen.“

Der NFL-Profi will nun zehn Monate lang jeweils 100.000 US-Dollar für wohltätige Zwecke spenden. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Justiz in der Pflicht stehe, solche Fälle von Polizeigewalt entsprechend zu bestrafen. „Es wird sehr viel aussagen, was nun mit der Polizistin geschieht, die den Mann erschossen hat“, meinte er mit Blick auf die Geschehnisse in Tulsa, die eine Mordanklage nach sich ziehen könnten.

Erinnerungen an 1968

Politiker, Musiker und Sportler haben inzwischen zu Kaepernick Stellung bezogen. Präsident Barack Obama erinnerte an das Recht auf Meinungsfreiheit, Donald Trump empfahl ihm, das Land zu verlassen, Hillary Clinton hat sich bisher nicht geäußert. Kaepernick hatte ohnehin erklärt, keinen der beiden Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen.

Unter US-Athleten weitet sich der Protest jedenfalls aus: Weitere NFL-Spieler und zuletzt auch Fußball-Nationalspielerin Megan Rapinoe haben sich angeschlossen, Basketball-Superstar Stephen Curry erklärte seine Unterstützung. Manche knien während der US-Hymne wie Kaepernick, andere erheben ihre Faust. Diese Geste der Black-Power-Bewegung wurde durch Tommie Smith und John Carlos berühmt. Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt hatten die beiden Afroamerikaner bei der 200-m-Siegerehrung ihre in einem schwarzen Handschuh steckende Faust gen Himmel gestreckt, um für Menschenrechte zu protestieren. Auch Olympiasieger Smith und sein drittplatzierter Teamkollege Carlos hatten damals Morddrohungen erhalten. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2016)

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