Wenige Tage vor Beginn der Lohnrunde bringen sich die Arbeitgeber in Stellung und verlangen angesichts der Probleme in wichtigen Exportmärkten einen moderaten Abschluss.
Wien. Es ist ein alljährlich wiederkehrendes Ritual bei der Lohnrunde der Metaller, die für die gesamte Industrie als richtungsweisend gilt: Zuerst legt die Gewerkschaft los, mahnt die soliden Wirtschaftsdaten ein und fordert eine ordentliche Lohnerhöhung. Dann kommen die Arbeitgeber und bremsen mit dem Hinweis auf die alles andere denn rosige Situation allzu große Erwartungen. Reines Taktieren? Heuer scheint alles doch ein wenig anders zu sein. Zum einen wollen die Privatangestelltengewerkschaft GPA-djp und die Produktionsgewerkschaft Pro-GE erstmals schon zum Auftakt der Verhandlungen am Montag ihre Prozentforderung für die Lohnerhöhung auf den Tisch legen. Zum anderen preschte der Fachverband der Maschinen-, Metallwaren- und Gießereiindustrie (FMMGI) mit seinen 125.000 Beschäftigten am Mittwoch mit einer Standortbestimmung vor. Und diese Einstimmung auf die Lohnrunde fiel nicht gerade berauschend aus.
Hoher Mindestlohn
„Wir befinden uns seit Jahren in einer Stagnation und erwarten auch für heuer nur eine Seitwärtsbewegung“, sagte Fachverbands-Obmann Christian Knill. Ein „moderater und fairer KV-Abschluss“ sei daher das Gebot der Stunde. Denn jeder Euro, der mehr gezahlt werde, belaste den Arbeitgeber mit 1,92 Euro, rechnete Knill vor. Im Vorjahr gab es eine KV-Erhöhung von 1,5 Prozent bei einer Inflationsrate von 0,9 Prozent. Mit 1750 Euro Mindestlohn liegen die Metaller deutlich vor anderen Branchen, im Handel liegt der Mindestlohn bei 1500 Euro, im Hotel- und Gastgewerbe bei 1400 Euro.
Nicht überraschend hält Knill die vergangenen Lohnabschlüsse für zu hoch. Ein Vergleich mit Inflation und Produktivität seit 2005 stärkt allerdings seinen Eindruck: Während die Produktivität um 6,7 Prozent gestiegen ist, hat die Inflation um 21,4 Prozent zugelegt und die Löhne sogar um 31,9 Prozent.
Für nicht mehr zeitgemäß hält Knill deshalb die Benya-Formel (benannt nach dem ehemaligen Spitzengewerkschafter Anton Benya), die jahrelang der Gewerkschaft als Basis für die Lohnforderung gedient hat. Demnach geht es um die Inflationsrate plus den halben Produktivitätszuwachs. Das wäre heuer dürftig, zumal die Inflationsrate nur 0,8 Prozent beträgt – da sind die Sozialpartner einig. Die Produktivität ist im Vorjahr in der Branche (eigenen Berechnungen zufolge) nur um 0,15 Prozent gestiegen. In der gesamten Industrie betrug der Zuwachs laut Statistik Austria 1,89 Prozent und soll heuer 2,10 Prozent ausmachen. Und das Wifo kommt auf 0,5 bzw. für heuer auf 0,8 Prozent. „Wir sollten uns daher an dem Branchenwert und den Gewinnen orientieren“, lautet der nicht ganz überraschende Vorschlag von Knill. Zu den alten Sorgen über zu hohe Arbeitskosten – auch ein Ergebnis der hohen Lohnabschlüsse – und zu viel Bürokratie kommen jetzt noch die Bedrohung durch den Brexit und die Russland-Krise.
Russland-Embargo trifft voll
80 Prozent der Produktion, die zwischen 2012 und 2015 um 2,6 Prozent auf 34,92 Mrd. Euro gefallen ist, gehen in das Ausland. Das Russland-Embargo habe die Ausfuhren schon im Vorjahr halbiert, sagte FMMGI-Geschäftsführer Berndt-Thomas Krafft. Für heuer geht man von einem weiteren Rückgang von 40 Prozent aus. Was Großbritannien betrifft, könne man die Auswirkungen noch nicht abschätzen, „aber wir spüren eine Zurückhaltung“. Immerhin sei die Branche hinter der chemischen Industrie der größte Exporteur nach Großbritannien.
Das ist aber noch nicht alles: Auch in Brasilien läuft es nicht optimal. Der Thinktank Oxford Economics, der Russland heuer einen Rückgang der Industrieproduktion von 0,6 Prozent voraussagt, geht für Brasilien von einem Minus von 5,9 Prozent aus, nach einem Rückgang von 8,2 Prozent im Vorjahr. Weltweit schätzt das Institut den Produktionszuwachs heuer nur auf 1,7 Prozent ein. „Bisher hat uns der Export gerettet – im Vorjahr gab es da noch ein Plus von 3,7 Prozent. Dieser droht nun auch abzuflauen“, sagt Knill.
Ein Lichtblick: Die politisch erschütterte Türkei spielt im Exportkalender der Metaller kaum eine Rolle. Knill, Geschäftsführer der steirischen Knill Energy, hat sich allerdings bereits aus der Türkei zurückgezogen, als unter der Führung von Recep Tayyip Erdogan für nicht türkische Unternehmen der Markt immer schwieriger geworden sei, erzählt er. Ein Aspekt sei in diesem Land die zunehmende Rechtsunsicherheit. (eid)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2016)