CDU droht CSU mit Bayern-Filiale

German Chancellor Merkel speaks during a meeting with the National Regulatory Control Council at the Chancellery in Berlin
German Chancellor Merkel speaks during a meeting with the National Regulatory Control Council at the Chancellery in Berlin(c) REUTERS (STEFANIE LOOS)
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Nach den Attacken aus München dreht das Lager von Angela Merkel den Spieß um. Mit einem endgültigen Bruch der Schwesterparteien ist aber nicht zu rechnen.

Berlin. Bis jetzt kamen die Drohungen im Unionsstreit immer nur von einer Seite, nämlich aus Bayern – von der CSU. Parteichef Horst Seehofer stellte Angela Merkel unter anderem einen eigenen Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl 2017 in Aussicht, wenn die Kanzlerin weiterhin nicht bereit sei, einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen im Jahr zuzustimmen. Unter Umständen sogar einen gewissen Horst Seehofer.

Doch wie am Donnerstag bekannt wurde, ist das Merkel-Lager gerade dabei, den Spieß umzudrehen. Der hessische Ministerpräsident, Volker Bouffier, und sein Vorgänger, Roland Koch, schlagen vor, dass die CDU eine Bayern-Filiale gründet, wenn die CSU ihre Attacken nicht umgehend einstellt. Sollte es so weitergehen, müsse man in München nach einer Immobilie Ausschau halten, sagte Bouffier nach Informationen des „Focus“ in einer Sitzung des CDU-Präsidiums. Koch, der in der Union (besonders beim konservativen Flügel) noch immer hohes Ansehen genießt, soll sich ähnlich geäußert haben.

Für Seehofer ist das die ultimative Drohung. Eine CDU-Kandidatur bei der bayrischen Landtagswahl 2018 würde nämlich bedeuten, dass der Fall eintritt, den man mit der Kritik an Merkel verhindern will: dass die CSU ihre absolute Mehrheit verliert.

Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass es zum Bruch zwischen den Schwesterparteien kommt. Beide Seiten würden mehr verlieren als gewinnen. Und deshalb trafen Merkel und Seehofer am Donnerstag zu einer Aussprache in Berlin zusammen. Etwaige Ergebnisse wurden vorerst nicht bekannt. Zuletzt hatte sich Merkel aber um Deeskalation bemüht. Am Montag, dem Tag nach der CDU-Wahlschlappe in Berlin, räumte die Kanzlerin Fehler in der Flüchtlingspolitik ein und versprach, ihren berühmten Satz – „Wir schaffen das“ – von nun an nicht mehr in den Mund zu nehmen. Seehofer wusste das zu würdigen, betonte aber gleichzeitig, dass er deshalb nicht von seiner Forderung nach einer Obergrenze Abstand nehmen werde.

Obergrenze oder Richtwert?

Die Frage ist nun, wie eine – für beide Seiten – gesichtswahrende Annäherung aussehen könnte? Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag, skizzierte zuletzt einen möglichen Kompromiss, der politischen Beobachtern in Österreich bekannt vorkommen dürfte: Sie verstehe die von Seehofer geforderte Obergrenze nicht so, dass der 200.001 nicht mehr ins Land dürfe. Vielmehr gehe es um eine „Richtgröße“.

Das entspricht in etwa dem, was Merkel bei ihrem selbstkritischen Auftritt am Montag angedeutet hat: Man sei sich im CDU-Vorstand einig, dass eine statische Obergrenze das Problem nicht löse. Aber man wolle die Flüchtlingszahl natürlich weiter reduzieren. Dann sprach sie sich für eine Reform des Dublin-Abkommens aus. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass die Flüchtlinge innerhalb der EU besser verteilt werden sollen. Nur wollen das manche Mitgliedstaaten, vor allem jene im Osten, noch immer nicht.

Hasselfeldt ist danach in Ungnade gefallen. Das Seehofer-Lager wollte eine Relativierung der Obergrenze aus ihren Worten herausgehört haben. Ihre Teilnahme an der Herbstklausur der CSU diese Woche im oberfränkischen Kloster Banz sagte sie überraschend ab – offiziell, weil sie in Berlin an den Verhandlungen zur Erbschaftssteuerreform teilnehmen sollte (siehe Bericht auf Seite 17).

Machtkampf in Bayern

CDU-Politiker wurden zuletzt nicht müde zu betonen, dass die CSU selbst gespalten sei und nicht geschlossen hinter Seehofer stehe. Auch von Konkurrenzkämpfen ist immer wieder die Rede. Die Hauptrolle in diesem Gerücht spielt der bayrische Finanzminister, Markus Söder. Er soll Ministerpräsident werden wollen und darauf vertraut haben, dass der 67-jährige Seehofer sein Versprechen einhält und vor der Landtagswahl 2018 in Pension geht. Doch danach sieht es im Moment nicht aus. Manche Beobachter meinen sogar, Seehofer gehe deshalb in Frontalopposition zu Merkel, um daheim nur ja keine Nachfolgedebatte aufkommen zu lassen.

Wie auch immer die Geschichte ausgeht: Ein Ende ist in Sicht. Am 4. und 5. November findet in Nürnberg der CSU-Parteitag statt. Spätestens da soll Frieden in der Union einkehren. „Es wird höchste Zeit, dass wir Gemeinsamkeiten finden, um in der Bundestagswahl zu bestehen“, richtete Seehofer der Kanzlerin aus. Eine dieser Gemeinsamkeiten könnte ein Außenfeind sein: Rot-Rot-Grün. Eine Blaupause für dieses wahlkampftaugliche Schreckgespenst wird gerade vom Berliner Bürgermeister, Michael Müller, kreiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2016)

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