Ade Benya-Formel: Die alten Regeln greifen nicht mehr

METALLER - WARNSTREIKS IN 200 BETRIEBEN
METALLER - WARNSTREIKS IN 200 BETRIEBEN(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Während die Gewerkschaft Inflation und Produktivität weiter als Verhandlungsbasis annimmt, fordern die Arbeitgeber ein Umdenken.

Wien. So animierend kann der leicht paprizierte Duft eines guten Gulaschs sein: Mehr als eine Handvoll Verhandlungsrunden brauchte es in der Vergangenheit nicht, damit sich Arbeitgeber und Gewerkschafter in der für die gesamte Industrie so richtungsweisenden Metallerlohnrunde einig wurden. Und die Abschlüsse konnten sich sehen lassen. Auch noch im Krisenjahr 2008 wirkte das alte Sozialpartner-Ritual – schließlich konnten die rund 180.000 Metaller ein Lohnplus von 3,8 Prozent einstreifen: Zuerst wird mit den Säbeln gerasselt, dann mit den Muskeln gespielt – und letztlich der Pakt besiegelt.

Für stets gute Abschlüsse sorgte dabei zugegebenermaßen weniger das Gulasch (das inzwischen von Würsteln abgelöst worden ist), sondern eine Formel, die den Namen einer Ikone der heimischen Gewerkschaftsbewegung trägt: Anton Benya. Der langjährige ÖGB-Präsident (1963 bis 1987) hatte sie erfunden – mit dem Ziel, den arbeitenden Massen ein wenig Wohlstand zu bringen und gleichzeitig der Wirtschaft genügend Luft zum Atmen zu lassen. Demnach richtet sich der Lohnabschluss nach der Inflation, auf die noch die Hälfte des Produktivitätszuwachses draufgeschlagen wird. Jenem der Gesamtwirtschaft, wohlgemerkt.

(c) Die Presse

So war es jahrzehntelang. Demnach hätten die Löhne im Jahr 2009, dem Jahr nach Lehman, in dem die Krise voll zuschlug, eigentlich sinken müssen. Denn von einem Produktivitätszuwachs war weit und breit nichts zu sehen. Aber eine Nulllohnrunde oder sogar einen Gehaltsverzicht quer über eine ganze Branche – das wollten auch die Arbeitgeber nicht. Zu wichtig war der soziale Friede – gerade in der schwierigsten wirtschaftlichen Phase seit Langem.

Der Ton wird rauer

Diese Harmonie scheint nun der Vergangenheit anzugehören. Vor allem der extrem hohe Lohnabschluss im Jahr 2011 und der nur wenig geringere 2012 (siehe Grafik) – als beide Seiten der Euphorie erlagen, die Wirtschaft hätte das Tief ein für alle Mal überwunden – steckt den Unternehmen in den Knochen. Die Arbeitgeber haben ihre vornehme Zurückhaltung abgelegt, schließlich taumelt die Wirtschaft von einem Rückschlag zum nächsten und wichtige Exportmärkte wie Russland sind nach dem Embargo zum großen Sorgenkind geworden.

Dass der Ton, der immer distanziert-höflich war, sehr viel rauer geworden ist, zeigte die vorjährige Runde: 16 Treffen hat es bedurft und einer Streikdrohung, bis nach einer nächtlichen Marathonsitzung eine Einigung zustande kam. „Der Berg kreißte und gebar eine Maus“, fällt einem dazu der Spruch des römischen Dichters Horaz ein. Denn abgesehen von den 1,5 Prozent Lohnplus kam nichts heraus. Für das heiße Eisen Flexibilisierung bedurfte es weiterer Gespräche, die erst im Juni des heurigen Jahres zu einer – zugegebenermaßen zeitgemäßen – Regelung führten.

Aber der Vorsatz, mehr um Inhalte statt nur um eine Zahl zu feilschen, scheint bereits wieder vergessen zu sein. Am Montag wird die Gewerkschaft ganz gegen die bisherige Gepflogenheit gleich eine Zahl auf den Tisch knallen, heißt es. Bei den Unternehmen dürfte das nicht gut ankommen. Denn die wollen die gute alte Benya-Formel ohnedies nicht mehr anwenden. „Die ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt der Obmann des größten Metaller-Fachverbandes FMMGI, Christian Knill. Zu unterschiedlich entwickelten sich die sechs Sparten – von der Maschinen- über die Metallwaren- bis zur Gießerei- und Fahrzeugindustrie. Er fordert, sich vielmehr an der branchenspezifischen Produktivität und den Gewinnen zu orientieren. Das wäre vielleicht ohnedies besser. Denn die als Basis für die KV-Runde zählende Inflationsrate liegt heuer nur bei 0,8 Prozent und die Produktivität wird laut Wifo nur um 0,8 Prozent zunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2016)

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