Streitgespräch: "Nicht die Therapeuten der Regierung"

Ostermayer und Fekter
Ostermayer und Fekter(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Maria Fekter und Josef Ostermayer erzählen im "Presse-Streitgespräch", wie sie Querschüsse ablenken, der Koalition Steine aus dem Weg räumen und warum sie nicht mehr bei Adam und Eva anfangen müssen.

„Die Presse“: Die letzten Regierungskoordinatoren profitierten von der Konfliktfreudigkeit ihrer Mitstreiter und stiegen an die Staatsspitze auf. Wann lösen Sie Ihre Chefs ab?

Josef Ostermayer: Der jetzige Kanzler und der Vizekanzler können so gut miteinander, dass es keine Probleme gibt. Wir müssen nur die Ministerräte vorbereiten und koordinieren.

Ganz so rund läuft's doch gar nicht.

Maria Fekter: Tragen wir keine Gegensätze in die Öffentlichkeit, heißt es, die kuscheln und arbeiten nichts. Ändern wir die Strategie und erklären unsere Unterschiede, heißt es, da wird nur gestritten, da läuft's nicht rund.

Sie können es also niemandem recht machen.

Fekter: Man soll uns einfach nur an unseren Ergebnissen messen. Und die sind, finde ich, herzeigbar.

Wie kommt es dann zu den Missinterpretationen, um nicht zu sagen, dem Streit um die Kassensanierung?

Ostermayer: Wir haben alle großen Themen, die wir uns vorgenommen haben, bei der Regierungsklausur einvernehmlich gelöst: Kassen, Kindergeld, Fremdenrecht und Verwaltungseinsparungen.

Die Themen lagen doch schon sehr lange auf dem Tisch.

Fekter: Es waren aber auch große Pakete, die man nicht mit zwei kleinen Federstrichen erledigt. Da geht es ja um Milliarden.

Ostermayer: Außerdem haben wir es ganz harmonisch geschafft. In der letzten Legislaturperiode gingen die Ärzte wegen des Kassenpakets noch auf die Straße. So etwas braucht eben seine Zeit.

Die Diskrepanz, dass die ÖVP bei den Kassen sparen und die SPÖ großzügig sein will, haben aber wirklich nicht die Medien erfunden.

Ostermayer: Das ist die mediale Interpretation.

Fekter: Wir sind eben zwei Parteien mit unterschiedlichen Zugängen. Das ist doch legitim.

Wer sind eigentlich die Problemkinder der Koalition? Unlängst ging es ja heiß her im Ministerrat, als sich die SPÖ über ÖVP-Attacken auf Ministerin Schmied beschwert hat.

Fekter: Geht die zweite, dritte Reihe mit medialen Torpedos aufeinander los, muss man das im Ministerrat besprechen. In unserer Koordination bereiten wir nur die Tagesordnung vor und besprechen mit den zwei Klubobleuten den Parlamentsfahrplan. Das ist viel trockener, als manche erwarten. Obwohl: Wir haben schon unseren Spaß daran.

Persönliche Befindlichkeiten sind also nicht ihre Sache?

Fekter: Überhaupt nicht.

Ostermayer: Wir sind nicht die Therapeuten der Regierung, sondern versuchen, offene Fragen zu lösen.

Fekter: Richtig. So ist es.

Ostermayer: Wir schauen darauf, dass wir sachliche Argumente aufbereiten, um dann die Entscheidungen treffen zu können.

Fekter: Wir räumen nur die Steine aus dem Weg.

Manchmal türmen sich aber richtige Geröllhalden auf, zum Beispiel im Bildungsbereich. Was dann?

Fekter: Da muss man zwischen dem politischen Gesamtpaket, das auf dem Koalitionsübereinkommen fußt, und dem, was aktuell auf der Tagesordnung für den nächsten Ministerrat steht, unterscheiden. Wir kümmern uns jeden Montag um die Ad-hoc-Arbeit.

Ostermayer: Natürlich gibt es zuweilen ideologisch unterschiedliche Zugänge. Da muss man versuchen, den günstigsten Zeitpunkt für Veränderungen zu finden – mit den Ländern oder den Gewerkschaften. Ganz pragmatisch gesagt: Es ist nicht zu erwarten, dass wir im Lehrerdienstrecht vor den Personalvertretungswahlen große Schritte tun werden.

Vorwahlphasen gibt es doch immer irgendwo.

Ostermayer: Trotzdem ist es oft sinnvoller abzuwarten.

Fekter: Querschüsse als gezielte Provokation der jeweiligen Gegenseite sind nie hilfreich. Wenn zum Beispiel die schwarze Gewerkschaft gegen Unterrichtsministerin Schmied schießt oder die rote gegen mich als Innenministerin. Druck erzeugt Gegendruck, die eine Provokation eine andere.

Wie läuft das in der Praxis? Holen Sie die Streithanseln zum Rapport?

Ostermayer: Wir holen sicher keine Minister zum Rapport. Aber es gibt Gespräche. Die führen manchmal wir, sehr oft der Bundeskanzler und der Vizekanzler...

Fekter:...auch die Klubobleute.

Ostermayer: Es hängt nicht alles an uns. Es kommt ja auch vor, dass wir kein Ergebnis zustande bringen in der Koordinierung. Dann reden nach uns, meist am Montag um 18 oder 19 Uhr, noch Kanzler und Vizekanzler miteinander.

Fekter: Das ist das, was man früher unter Kanzlerfrühstück kannte.

Ostermayer: Damit im Fall des Falles Zeit bleibt, Sachfragen mit Zahlen zu untermauern, machen wir das jetzt einen Tag früher.

Fekter: Das nahtlos in den Ministerrat übergehende Frühstück hat einfach keine Zeit gelassen, Ideen der Chefs ordentlich einzubauen.

Und Sie beide treffen sich zum Fünfuhrtee, oder?

Ostermayer: Zu dieser Zeit treffen wir uns, ja.

Fekter: Manchmal sitzen wir bis zehn Uhr, im Allgemeinen sind wir aber in ein, zwei Stunden fertig. Dann geht es nur noch darum, Provokationen in den eigenen Reihen auszuräumen. Wir sind keine Mimosen und wissen, dass Klimpern zum Geschäft gehört: Verletzend soll's aber nicht werden.

Ostermayer: Und wir trinken keinen Tee, sondern Kaffee und Wasser.

Fekter: Und Brötchen dazu, möglichst Schwarzbrot.

Bei der Innenministerin kann man sich die harte Hand vorstellen, aber beim Staatssekretär Ostermayer?

Fekter: Der bricht die Widerstände immer sehr charmant und bringt immer alle auf seine Seite.

Sie machen auf „good guy/bad guy“?

Ostermayer: Na, na, na. Sie sehen ja gerade die ganz charmante Seite der Innenministerin. Ich darf die immer wieder erleben.

Fekter: Für unsere Arbeit ist hilfreich, dass wir beide im engen Kreis der Koalitionsverhandler waren. Daher kennen wir den politischen Willen, der dahintersteht, relativ genau. Die Konflikte und Lösungsmöglichkeiten sind uns bekannt. Wir fangen nicht immer wieder bei Adam und Eva an.

Dann ist das so etwas wie ein Betriebsunfall, wenn ein Minister vermehrt angeschossen wird.

Ostermayer: Da ist Rückbesinnung auf das Miteinander angesagt.

Fekter: Unsere Aufgabe ist ja primär, Angriffe der Opposition zu parieren. Wir wollen unsere Energie nicht darauf verwenden, uns gegenseitig zu attackieren.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Verkauf der Regierungsarbeit? Man hat den Eindruck, Inszenierung ist out.

Fekter: Ich nehme das gerne auf. Ich glaube nämlich schon, dass Bilder in der politischen Arbeit eine große Rolle spielen. Da können wir die Performance vielleicht verbessern. Wir machen wenig gemeinsam, bisher transportiert jeder Minister seine Arbeit selbst.

Ostermayer: Zeichnet man zu große Bilder, wirkt man aber gleich wieder überinszeniert.

Fekter: Das stimmt schon. Politik muss man aber auch erklären. Was man nicht erklärt, hat nicht stattgefunden.

Ostermayer: Die schlechte Nachricht ist für die Medien auch oft die bessere.

Fekter: Leider immer. Aber wir wissen, dass das so ist. Wir bemühen uns redlich, den Negativtrend zu durchbrechen.

Das ist wohl Ansichtssache. Der nächste Negativtrend rollt auf Sie beide jedenfalls mit den nächsten beiden Landtagswahlen zu.

Fekter: Für die ÖVP bin ich da durchaus zuversichtlich.

Ostermayer: Ich sehe das ganz pragmatisch: Es werden zwei Landtage gewählt und nicht der Nationalrat.

Die Bundespolitik hat sehr wohl Einfluss auf die Länder. Die SPÖ gewann vor sechs Jahren in Oberösterreich auch wegen Schwarz-Blau.

Fekter: Das war zur Zeit von Knittelfeld und dem Desaster rund um die FPÖ. Das gleicht sich jetzt wohl wieder aus. Außerdem tritt mit dem BZÖ eine zusätzliche Partei an.

Sie präsentieren sich wie zwei eingefleischte Großkoalitionäre. Wäre Ihnen das auch für Oberösterreich die liebste Regierungsform?

Fekter: Ich bin kein eingefleischter Großkoalitionär. Ich habe Rot-Schwarz unter Vranitzky und Klima erlebt. Danach die kleine Koalition, anschließend am Rande Gusenbauer/Molterer mitverfolgt. Jetzt aktiv Faymann/Pröll, und ich kenne Schwarz-Grün in Oberösterreich: Ich kann trotzdem nicht sagen, dass ich einem dieser Modelle überproportionale Priorität einräumen würde. Es kommt darauf an, mit welchem Partner man am besten seine Themen umsetzen kann. Das ist von Fall zu Fall zu entscheiden.

Ostermayer: Jetzt haben Sie doch einen Punkt gefunden, an dem wir unterschiedlicher Meinung sind. Wobei auch mir neben einer Großen Koalition eine zweite Regierungsform besonders lieb ist: die SPÖ-Alleinregierung in Wien.

Fekter: Die Krise spricht derzeit einfach für die Große Koalition.

Ostermayer: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

ZU DEN PERSONEN

Maria Fekter (ÖVP) war bereits von 1990 bis 1994 Staatssekretärin, dann Justizsprecherin und Volksanwältin. Derzeit ist die 53-jährige Juristin Innenministerin und Regierungskoordinatorin.

Josef Ostermayer (SPÖ) ist seit Dezember 2008 als Staatssekretär und Regierungskoordinator tätig. Davor war der 48-jährige Jurist immerhin 14 Jahre für Werner Faymann unter anderem als Kabinettchef tätig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Strache und Glawischnig
Politik

Grün gegen Blau: Nazi-Vorwürfe im "Presse"-Streitgespräch

Die "Presse" lud Eva Glawischnig und Heinz-Christian Strache zu einem "Streitgespräch", bei dem es von Anfang an heiß herging. Aber auch der Bundeskanzler kam bei den politischen Kontrahenten gar nicht gut weg.
Innenpolitik

Streitgespräch: „In Ihren Augen sind Unternehmer die Asozialen“

Industriellenpräsident Veit Sorger und Gewerkschaftschef Erich Foglar über Unstimmigkeiten in der Lohnpolitik, Probleme mit der Kurzarbeit – und eine Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich.
Öllinger und Graf
Politik

"Presse" - Streitgespräch: Norbert Burger – ein Demokrat?

Karl Öllinger will, dass sich Martin Graf von der Burschenschaft Olympia distanziert. Der denkt aber nicht daran. Beide können sich vorstellen, wieder gemeinsam einen ORF-General zu wählen.
Wien

Polizeichef: Leichtfertigkeit ist zum „Grausen“

"Presse"-Streitgespräch: Experten fordern mehr Einbruchs-Prävention und mehr Effizienz der Polizei, diese will ihre Strategie verbessern und die Kräfte effizienter einsetzen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.