Die Korallengärten von Pemuteran

Wo früher Speisefische mit Dynamit gejagt wurden, gingen ganze Korallenriffe zugrunde. Seit Jahren siedeln hier ein Architekt und Naturschützer lebende Korallen auf Stahlgerüsten an.
Wo früher Speisefische mit Dynamit gejagt wurden, gingen ganze Korallenriffe zugrunde. Seit Jahren siedeln hier ein Architekt und Naturschützer lebende Korallen auf Stahlgerüsten an. Imago
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An der Nordküste von Bali hauchen Aktivisten der Unterwasserwelt neues Leben ein: Sie siedeln Korallen auf versenkten Stahlgerüsten an.

Ein Strand, eine Bucht, eine Handvoll Urlauber unter indonesischer Sonne. In Pemuteran an Balis Nordküste fällt einem vor allem die Ruhe auf. Und die dicken Stromkabel, die durch den Sand ins Meer führen. Und die Windmühle, die auf einer Plattform hinter der Brandung schwimmt und im Wind rattert. Pemuteran ist ein Gegenentwurf zum lauten Massentourismus im Süden Balis. Partys? Gibt's hier nicht. Wer sehen will, wie Naturschutz und Tourismus voneinander profitieren können, ist hier richtig. Man könnte Made Gunaksa, der in Pemuteran lebt und arbeitet, nach den dicken Kabeln und der Windmühle fragen. Besser aber geht man mit ihm auf Tauchstation. Wir gleiten keine Minute durch die türkise Unterwasserwelt, als schemenhaft ein riesiges Seepferd auftaucht, dann ein Wal, ein Hammerhai, ein Delfin, ein Manta, Fahrräder, ein Tiger, eine Art UFO, etwas, was aussieht wie ein Gartenpavillon und eine Zylinderstruktur, auf der Korallen wachsen. Darüber schweben blau leuchtende Fische wie Glühwürmchen über einer Regentonne. Wir treiben durch einen Garten aus sogenannten Biorock-Skulpturen. Made Gunaksa ist einer der Gärtner. Die korallenbewachsenen Skulpturen bestehen aus Stahl und Metallgewebe und werden mit Gleichstrom versorgt, teils aus dem Hotelresort, daher die Kabel am Strand, und aus der Windmühle.

Hypselodoris tryoni, die Prachtsternschnecke
Hypselodoris tryoni, die PrachtsternschneckeImago

Elektrolyse durch Gleichstrom

Strom, Metall, Wasser. Was in der Badewanne zu vermeiden ist, haucht hier der Unterwasserwelt neues Leben ein. Durch den angelegten Gleichstrom kommt es zur Elektrolyse. Auf den Stahlstrukturen lagern sich so Salze ab. Gunaksa und seine Kollegen vom lokalen Biorock-Projekt setzen auf die Gerüste dann abgebrochene, aber noch lebende Korallen, die dort in kürzester Zeit festwachsen und ein künstliches Riff bilden. Ohne die Stahlgerüste mit Salzmantel müssten die Korallen einen großen Teil ihrer Energie darauf verwenden, selbst einen festen Untergrund zu schaffen. Doch weil das Biorock-Verfahren den Korallen hier die Arbeit abnimmt, wachsen sie viermal so schnell wie unter natürlichen Umständen.
Erfunden hat das Verfahren Wolf Hilbertz. Der deutsche Architekt stand am Strand von Pemuteran und baute an einer der ersten Stahlstrukturen, als ihm Rani Morrow-Wuigk über den Weg lief. „Ich bin auf Bali hängen geblieben und in Pemuteran gestrandet“, erzählt die Deutsche mit australischem Pass. Seit 1988 lebt Morrow-Wuigk fast durchgängig auf der Insel.

Sie wurde zur leidenschaftlichen Taucherin und Unterwasserfotografin, merkte aber bald, wie sich die Meereswelt veränderte: „Das Zyanid- und Dynamitfischen hat mich geschockt.“ Mit Zyanid betäubten die Einheimischen Fische, um sie als Aquarienfische zu verkaufen. Mit Sprengsätzen wiederum jagte man Speisefische, tötete aber alles im Umkreis der Explosion. „In der Nähe einiger Riffe konnte man nicht tauchen. Das war zu gefährlich, wegen der Bomben.“ Ganze Riffe gingen so in den vergangenen Jahrzehnten zugrunde. Als Morrow-Wuigk beim Schnorcheln dann Hilbertz' Gerüste im Wasser entdeckte und sah, wie effizient die Korallenaufzucht funktionierte, fragte sie den Architekten, wie viel es kosten würde, die ganze Bucht damit zu bestücken.

Der Beginn des Biorock-Projekts in Pemuteran. Zunächst ging es Morrow-Wuigk und ihren einheimischen Mitstreitern um Naturschutz. „Ich dachte nicht an Touristen. Aber dann erfuhren Leute von uns und plötzlich profitierten die Hotels. Die Menschen wollten mal etwas anderes sehen.“ Mit Korallen bewachsene riesige Seepferdchen zum Beispiel. Von Anfang an hatten Hilbertz und sein Kollege, der Korallenforscher Tom Goreau, experimentiert und ausprobiert, was den Korallen und Fischen am besten gefiel. Heute schmiedet Gunaksa kleinere, aber kunstvollere Gerüste. Über die Jahre entstanden in Pemuteran Unterkünfte, Läden und Tauchbasen. Am Strand wurde ein Biorock-Infozentrum gebaut. Das Häuschen ist gleichzeitig Hauptquartier der Pecalang Laut, der Ozeanpolizei. Dreimal die Woche patrouillieren acht Leute in der Bucht, insgesamt arbeiten 60 Dorfbewohner für die Truppe, die Gunaksa leitet. Dynamit- und Zyanidfischen ist heute bei strengen Strafen verboten. Die Ozeanpolizei sorgt dafür, dass sich die Fischer daran halten.

ABTAUCHEN VOR BALI

Biorock Center, Pemuteran, biorockbali.webs.com

Hotel: Taman Sari. tamansaribali.com, Doppelzimmer ab 50 US-Dollar, Tel.: 0062/0362/932 64, reservation@tamansaribali.com

Tauchschule:
Bali Diving Academy Pemuteran, Info@scubali.com, Tel.: 0062/0361/27 02 52

Anreise: Flug Wien–Denpasar–Wien via Doha mit Qatar Airways ab 805 Euro, Emirates ab 822 €. Weiter per Mietauto.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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