Politische Korrektheit: Die spinnen, die Amis! Aber nicht nur sie . . .

Political Correctness nimmt in den USA überhand – und führt zu grotesken Ausprägungen. Der Widerstand dagegen wächst – Donald Trump nützt das aus.

Frage keinen asiatischen Studenten, den du nicht kennst, um Hilfe bei deiner Mathe-Hausaufgabe.“ Oder: „Frage nicht willkürlich einen schwarzen Studenten, ob er Basketball spielt.“ Ob Sie es glauben oder nicht: Das sind Regeln, die sogenannten Freshmen, also Neuanfängern an US-Universitäten, als No-Gos, als unstatthafte Aussagen also, eingebläut werden. Warum? Beide Fragen würden auf Annahmen beruhen, die auf Klischees basieren. Also: Asiatische Studenten wären alle gut in Mathematik, schwarze Studenten würden alle gut Basketball spielen.

Solche Aussagen werden als Microaggressions gewertet und können sogar geahndet werden. Damit nicht genug: An US-Universitäten sollen Studierende auch nicht mit zu dramatischen Lerninhalten konfrontiert werden. Eine eigene Bewegung nimmt sich dieser Problematik an, Trigger Warnings heißt sie. Universitätslehrer werden zunehmend verpflichtet, Studierende vor Unterrichtsstoff zu verschonen oder zumindest zu warnen, der sie möglicherweise zu stark emotional irritieren könnte.

So sollen Jus-Studenten der renommierten Harvard-Universität ihren Professor aufgefordert haben, er solle es unterlassen, die Rechtslage im Falle von Vergewaltigungen mit ihnen zu erörtern. Sogar das Wort violate würde sie schon zu sehr peinigen.

In einem aufsehenerregenden Fall wurde ein weißer Student wegen Rassen-Belästigung verurteilt, weil er das Buch „Notre Dame vs. the Klan“ gelesen hatte. Ironischerweise handelt dieses Buch allerdings von einem studentischen Kampf gegen den berüchtigten, rassistischen Ku Klux Klan. Das Problem an dem Buch war das Titelbild. Es zeigte einen Aufmarsch des Klans – und diese Aufnahme hätte einen Mitstudenten beleidigt.

„Mich nervt dieser Political-Correctness-Mist total“, verkündete der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump schon früh in seinem Wahlkampf. Erschrocken erstarrten die Amerikaner, als er bald darauf begann, mexikanische Einwanderer pauschal als Drogendealer und Vergewaltiger zu bezeichnen. Wie konnte sich Trump solch unerhörte Ausdrücke erlauben, wenn man an einer Uni einen asiatischen Studenten nicht einmal um Hilfe bei der Mathematik-Hausübung fragen darf?

Der Populist Trump hat offensichtlich einen wunden Punkt in der US-Gesellschaft getroffen. Sehr viele Amerikaner sind schlichtweg von dieser Welle der politischen Korrektheit genervt. Sie finden sie übertrieben und verlogen und freuen sich, dass sich endlich jemand traut, dies auch klar und deutlich auszusprechen. Es ist zu vermuten, dass zumindest ein gewisser Teil des Erfolgs von Donald Trump auf dessen provozierende Kritik an politischer Korrektheit zurückzuführen ist.

Die spinnen ja, die Amis, höre ich da schon wieder manche Stimme in Österreich sagen. Nun, so weit entfernt sind solche Entwicklungen dann auch wieder nicht. Gab es da nicht einmal einen Jörg Haider, der mit genau solchen Provokationen unglaubliche Aufmerksamkeit auf sich zog? Und dem so viele Herzen zuflogen, weil er endlich einer war, der sich traute, politisch inkorrekte Sachen auszusprechen?

Auch Haiders Nachfolger bei der FPÖ leben davon. Sie stecken sich Kornblumen an das Revers, obwohl dies auch das Erkennungszeichen der illegalen Nazis der 1930er-Jahre war. Und Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer will partout den 8. Mai 1945, den Tag der Befreiung Österreichs, nicht als Tag der Freude bezeichnen.

Man kann wohl davon ausgehen, dass Hofer, Strache & Co. nicht die Nazi-Zeit zurücksehnen. Vermutlich geht es ihnen darum, zu provozieren und den „politisch korrekten“ Umgang mit der Vergangenheit Österreichs zu konterkarieren. Und anscheinend macht dies auch einen Teil des politischen Erfolgs der Freiheitlichen aus. Die Lehre daraus: Übertriebene politische Korrektheit verkehrt sich in ihrer Wirkung ab einem bestimmten Punkt ins Gegenteil.

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Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group, Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und Herausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2016)

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